"Wall Street Journal" gegen "New York Times":Murdoch: Einsatz in Manhattan

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So sieht sie aus, die Kampfansage mit 35 Redakteuren: Rupert Murdoch verpasst seinem Wall Street Journal den Lokalteil "Greater New York".

Nikolaus Piper

Es ist, als gäbe es kein Internet, keine Zeitungskrise, keine Rezession. An diesem Montag fanden die Abonnenten des Wall Street Journal in New York ein komplett neues Produkt vor ihrer Haustür: Der ehrwürdigen Finanzzeitung liegt jetzt ein Lokalteil bei - farbig, 16 Seiten stark und voller Anzeigen.

Das "News Hub" ist die zentrale Nachrichtenredaktion des "Wall Street Journal". (Foto: Foto: AP)

Das neue Buch "Greater New York" kommt im Gesamtprodukt sogar an zweiter Stelle, noch vor jenen Teilen, in denen die Kernkompetenz des Journal liegt, also den Firmennachrichten ("Marketplace") und dem Finanzteil ("Money and Investing"). Der Aufmacher des Lokalteils, eine Geschichte über Pannen bei der Fahndung nach einem Terroristen, wird groß auf der Titelseite angekündigt.

In New York ist der "vielleicht letzte große Zeitungskrieg Amerikas" ausgebrochen, wie die Agentur Associated Press schrieb. Rupert Murdoch, der erzkonservative Eigentümer des Journal, greift die liberale New York Times und deren Haupteigner Arthur Sulzberger an, auf heimatlichem Territorium, mit einem neuen Produkt und mit Kampfpreisen für Abos und Anzeigen.

Die Methoden sind bekannt: Genau so hatte Murdoch einst den australischen Zeitungsmarkt aufgerollt, so kämpfte er in London den Daily Telegraph nieder, so drängte er mit dem Räuberblatt New York Post die Daily News in die Ecke. Trotzdem ist diese Kriegserklärung etwas besonderes: Sie trifft die immer noch angesehenste Zeitung Amerikas, und sie kommt mitten in der größten Medienkrise der jüngeren Geschichte. Das Ganze ist in einem sehr fundamentalen Sinne unzeitgemäß.

Auch das neue Produkt selbst ist, wenn nicht unzeitgemäß, so doch erstaunlich konventionell: Ein ganz normaler Lokalteil - gut, aber alles andere als sensationell. Es gibt viele Polizeigeschichten, einen Bericht über die Rattenplage an der Upper East Side, Kolumnen, Baseball, Restaurant-Tipps und eine ganze Seite Klatsch. Das passt zum Rest des Journal, das Murdoch von einer Wirtschafts- zu einer relativ normalen Tageszeitung umwandelte, nachdem er das Blatt 2007 gekauft hatte.

Die New York Times bewegte sich währenddessen in die entgegengesetzte Richtung. Der Lokalteil schrumpfte; an diesem Montag zum Beispiel bestand er aus ganzen sechs Seiten. Ende 2008 hatte die Times aus Kostengründen das eigenständige Buch "Metro" abgeschafft und die Lokalberichte hinten an das erste Buch gehängt - eine Entscheidung, die der Zeitung jetzt schaden dürfte. Gleichzeitig wurden die Berichte noch länger als früher. Am Tag, als die neue Konkurrenz vom Journal auf den Markt kam, machten die Kollegen der Times mit einem ganzseitigen und durch viele Graphiken unterlegten Beitrag zum Fahrgastauskommen der New Yorker U-Bahn auf.

Rupert Murdoch investiert sehr viel Geld für seinen Kampf gegen die Times. Der neue Lokalteil hat nicht weniger als 35 Redakteure und Reporter - und dies in einer Zeit, in der überall sonst die Redaktionen verkleinert werden. Der neue Lokalchef heißt John Seeley und kommt von der New York Sun. Die Sun war der ehrgeizige Versuch eines Investors, mit einem anspruchsvollen konservativen Lokalblatt der Times Konkurrenz zu machen. Sie fiel 2008 nach nur sieben Jahren der Rezession zum Opfer.

Dumpingpreise bei den Anzeigen

In den New Yorker Anzeigenmarkt versucht das Journal mit Dumpingpreisen einzudringen. Offizielle Zahlen gibt es nicht, wohl aber anekdotische Berichte, wonach Anzeigenwerber für einzelne Kunden die Preise um bis zu 80 Prozent senkten. Mit der New York Post gibt es eine Anzeigenkooperation. Die Billigstrategie scheint zu fruchten. Die beiden Kaufhäuser Macy's und Bloomingdale's sind im neuen Lokalteil vertreten. Auch Abos sind spottbillig. Wer Druck- und Online-Ausgabe für ein Jahr abonniert, zahlt 2,69 Dollar pro Woche und bekommt zwei Wochen umsonst. Die gedruckte Times kostet dagegen 5,85 Dollar (der Zugang zur Online-Ausgabe ist für alle frei).

Die publizistische Logik hinter diesem unzeitgemäßen Krieg ist klar: Murdoch möchte die als elitär empfundene und beneidete Times niederkämpfen. Aber hat das Ganze auch eine ökonomische Logik? Wahrscheinlich nicht. Dean Starkman, Autor des Fachblattes Columbia Journalism Review, glaubt, dass Murdoch den Krieg gegen die Times nicht gewinnen kann: "Ich gehöre zu der großen Zahl von Skeptikern, die glauben, dass dies alles am Ende beiden Zeitungen schaden wird." Der 79-jährige Murdoch hat zwar viel, aber nicht unbegrenzt viel Geld. Nach unbestätigten Berichten verlor das Journal 2009 ungefähr 80 Millionen Dollar. Wahrscheinlich ist dies wirklich Murdochs letzter Zeitungskrieg.

© SZ vom 27.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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