US-Late-Night-Shows im Wandel:Guten Morgen statt gute Nacht

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Schon bei Late Night With Jimmy Fallon gab es immer reichlich Gesprächsstoff - hier mit Tom Cruise im Dezember 2012. (Foto: AFP)

Fallon für Leno, Colbert für Letterman und von Sonntag an noch John Oliver - diese Personalwechsel stehen für einen Wandel der amerikanischen Late-Night-Shows. Sie wollen nicht mehr nur einen Abend lang unterhalten, sondern noch am nächsten Tag Gesprächsstoff sein.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es ist ja immer schön, wenn einen jemand ins Bett bringt. Wenn Mama oder Papa eine Geschichte vorlesen, wenn davon berichtet werden darf, was den Tag über so los war, wenn es einen Gute-Nacht-Kuss gibt, dann weiß jeder: Die Welt ist in Ordnung, man kann jetzt einschlafen und sich auf den nächsten Tag freuen.

Für Erwachsene gab es im amerikanischen Fernsehen jahrelang professionelle Zu-Bett-Bringer, sie hießen Jay Leno, Craig Ferguson und David Letterman. Die präsentierten einen sarkastischen Kommentar zum Zustand der Gesellschaft, sie sprachen mit Prominenten, dann schickten sie die Zuschauer ins Bett. Die Welt war vielleicht nicht in Ordnung, aber es war schön, dass man am Ende eines Tages wenigstens darüber lachen konnte.

Was nun im amerikanischen Spätabend-Fernsehen passiert, ist nichts weniger als eine popkulturelle Revolution, eine Zeitenwende in der Humorgeschichte Amerikas - und weil die Vereinigten Staaten immer noch die prägende Nation sind, wenn es um Unterhaltung geht, dürften sich die Auswirkung auch in anderen Ländern bemerkbar machen. Vielleicht sogar in Deutschland.

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Der Wandel hängt mit einer Reihe von Personalien zusammen. Leno hat die Tonight Show mittlerweile an Jimmy Fallon übergeben, der seine eigene Sendung Late Night dafür Seth Meyers überlassen hat. Letterman hat kürzlich seinen Abschied verkündet - ihm wird im kommenden Jahr Stephen Colbert als Moderator der Late Show nachfolgen. Wer den Sendeplatz des Colbert Report auf Comedy Central einnimmt, ist noch nicht bekannt, der Sender möchte laut Branchenexperten ein komplett neues Format etablieren.

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Am Sonntag dann startet beim Pay-TV-Sender HBO die politische Satiresendung Last Week Tonight mit dem Komiker John Oliver. Dazu gibt es Gerüchte, dass der Sender CBS den Vertrag mit Craig Ferguson nicht verlängern wird und sich bereits auf der Suche nach einem neuen Gastgeber für die Late Late Show befindet. Als Kandidaten gelten Neil Patrick Harris und Chelsea Handler.

Popkulturelle Revolution

Ferguson und Letterman waren Gute-Nacht-Sager, die meisten ihrer Witze und Interviews haben die Zuschauer am nächsten Morgen vergessen. Die neue Generation der Late-Night-Moderatoren dagegen, zu denen auch Jimmy Kimmel gehört, sie sagen eher: "Guten Morgen!" Wer eine Sendung verpasst hat, wird tags darauf im Büro oder spätestens beim Besuch auf einem sozialen Netzwerk damit konfrontiert. Die Inhalte zielen darauf ab, sich danach viral im Internet zu verbreiten.

Fallon etwa zeigte im Februar eine weitere Fortsetzung der Reihe "The History of Rap" mit Justin Timberlake, zwei Wochen zuvor hatte er gemeinsam mit Anne Hathaway Broadway-Versionen bekannter Rapsongs wie "In Da Club" oder "Bitch Don't Kill My Vibe" aufgeführt. Am Montag dann gelang ihm erneut ein Muss-man-gesehen-haben-Coup: Er präsentierte einen Clip, in dem die Aussagen des drögen Nachrichtensprechers Brian William so zusammengeschnitten sind, dass es sich anhört, als würde er den Song "Gin and Juice" von Snoop Dogg rappen. Das Video wurde bei Youtube innerhalb von 48 Stunden knapp drei Millionen Mal angesehen.

Kimmel ist dagegen eher ein Streichespieler - doch damit vor allem bei der Verbreitung im Internet nicht weniger erfolgreich. Er bezieht die Zuschauer mit ein. Wie etwa bei der Aufforderung, dass die ihren Kindern erzählen sollten, all die Halloween-Süßigkeiten aufgegessen zu haben - oder dem Nachwuchs zu Weihnachten schreckliche Geschenke zu überreichen. Nach der Oscar-Verleihung zeigte er, was Hollywood aus berühmten Youtube-Videos wie "Charlie Bit Me" gemacht hätte.

Diese Videos verbreiten sich freilich nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auch in andere Länder - weil eben auch Menschen in Deutschland oder Großbritannien darüber lachen können, wenn Josh Groban am Klavier sitzt und die Twitter-Einträge von Kanye West vertont, wenn Promis eine mögliche Beziehung zwischen Kimmel und Ben Affleck besingen oder die amerikanische First Lady Michelle Obama die Evolution der Mami-Tänze darstellt.

Es geht also weniger darum, die Zuschauer ins Bett zu schicken, als ihnen vielmehr Gesprächsstoff zu liefern. Das funktioniert nicht nur mit Sketchen, sondern auch mit Ironie der alten Schule - sofern ihr politisches Gewicht gegeben wird. Jon Stewart verkohlt in der Daily Show den Umgang amerikanischer Medien mit Neuigkeiten, Stephen Colbert im Colbert Report die Ignoranz republikanischer Politiker. Darüber sprechen die Menschen auch noch am nächsten Tag.

Ohne böse Anrufe

Vom Briten John Oliver wird nun erwartet, dass er sich bitterböse über die amerikanische Gesellschaft äußert, wie er es bereits als Gastmoderator der Daily Show getan hat. Beim Bezahlsender HBO gibt es auch keine Werbepausen und damit auch keine Unternehmen, die durch allzu kritische Berichterstattung verärgert werden könnten. "Es wird keine bösen Anrufe geben, wenn wir etwa ein derbes Stück zu General Motors machen", sagt Produzent Tim Carvell.

Es ist natürlich derzeit recht einfach, das amerikanische Fernsehen mit einem Qualitätssiegel zu versehen und deutsche Produktionen zu verdammen - gerade im Bereich der Spätunterhaltung. Harald Schmidts Sendung ist abgesetzt, Stefan Raabs TV total dient mittlerweile eher als Perpetuum Mobile der Selbstvermarktung der von Raab initiierten und produzierten Veranstaltungen wie Schlag den Raab, andere Moderatoren wie etwa Oliver Pocher sind grandios gescheitert.

Dabei zeigt doch gerade die herausragende heute show mit Oliver Welke, dass sich eine Anlehnung an amerikanische Formate durchaus lohnen kann - die Satiresendung orientiert sich lose an Stewarts Daily Show. Der Erfolg der Show zeigt: Auch in Deutschland ist ein Wandel der allabendlichen Unterhaltung erforderlich, sonst werden sich die Zuschauer weiter abwenden.

Sie müssen schon seit Jahren nicht mehr das sehen, was ihnen da vorgesetzt wird - sie können den Fernseher ausschalten und sich im Internet die Streiche von Kimmel, die Aktionen von Fallon und auch die bissigen Kommentare von Stewart ansehen. Und dann mit Freunden und Kollegen darüber reden.

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