Tatort Köln:Neben der Spur

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Zuhälter Mike (Robert Stadlober) spielt gerade Billard in seiner Stammkneipe, als die Polizei ihn zur Rede stellt. (Foto: WDR/Bavaria Fiction GmbH/Martin)

Auch wenn die Kommissare nach 25 Jahren schon mal zur Nebenfigur werden: In "Spur des Blutes" wird grandios gespielt und grandios erzählt.

Von Claudia Fromme

Einer Ader gleich verläuft der Randkanal im äußeren Westen und Norden Kölns, die gereinigte Kloake der Großstadt fließt darin und auch das Sümpfungswasser des Braunkohletagebaus. In einem Auffangbecken liegt eine junge Frau in der eigentümlich rotbraunen Brühe, tot und doch von irritierender Schönheit, wie sie sich im Luftbild in die Symmetrie der Schleusenanordnung fügt. Der Ästhetik des Schrecklichen erliegen die Kommissare Freddy Schenk (Dietmar Bär) und Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) vor Ort nicht, davor bewahrt sie der Gerichtsmediziner Joseph Roth (Joe Bausch) mit seiner Erstdiagnose: Die 19-Jährige wurde fürchterlich malträtiert.

25 Jahre ermitteln Schenk und Ballauf nun gemeinsam, fast genauso lang ist der kantige Gerichtsmediziner dabei. Da könnte man annehmen, dass in so einem Jubiläumsjahr richtig auf die Sahne gehauen wird. Wird im Film "Spur des Blutes" auch, den Arne Nolting und Jan Martin Scharf (Buch) sowie Tini Tüllmann (Regie) verantworten, aber anders. Werden in Köln sonst oft die großen gesellschaftlichen Linien verhandelt, wandelt sich der Krimi vom augenscheinlichen Sozialdrama zum privaten Kammerspiel. Darin werden die Kommissare zu Nebenfiguren, an der Wurstbraterei am Rhein stehen sie eh nicht mehr rum, wo sie früher die Moral des Ganzen verhandelt haben, die ist längst im Museum. Dafür tritt die Kriminaltechnikerin Natalie Förster (Tinka Fürst) auf den Plan, die sich im Wirrwarr der vielen DNA-Spuren auf der Leiche der Frau, die als Straßenprostituierte gearbeitet hat und drogenabhängig war, zu verlieren scheint. Auch, weil sie auf der Suche nach ihrer eigenen, unklaren Identität ist.

Auch nach so vielen Dienstjahren können Ballauf und Schenk noch geschockt sein

Selbstzweifel hat der Zuhälter der Toten, Mike (Robert Stadlober), nicht, ausgestattet mit Rotzbremse, Goldkette und Ballonseide schnoddert er den Ermittlern entgegen, warum er sie nicht umgebracht haben kann: "Warum sollte ich sie umbringen? Sie war mein Invest." Zwinker, zwinker. Auch im 25. Dienstjahr schockiert Schenk und Ballauf das. Reden wir nicht mehr von Menschen?

Wie tröstend, da in die warmen Augen von Frank Baumgartner (Josef Hader) zu blicken, den Caravanverleiher mit der sozialen Ader. Er beschäftigt Vorbestrafte ohne Vorbehalte, liebt die Natur und irgendwie auch die Menschen. Oder nicht? Oder doch? Der österreichische Kabarettist Hader spielt grandios den schwer zu fassenden Charakter ohne seinen typischen Grant, ohne Dialekt, ohne schwarzen Humor, was die Rolle noch stärker macht. Und irgendwo dazwischen sagt Freddy Schenk: "Ich bin zu alt für diesen Scheiß." Ein Grund mehr, diesen Film unbedingt anzusehen.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

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