Gerade kam eine Studie raus, dass die Menschen immer unglücklicher werden in Deutschland, und mit am wenigsten zu lachen haben sie in Berlin. Ist ja ein gängiges Vorurteil, dass die Hauptstadt immer mehr Moll ist als Dur. Der Berliner Tatort erfüllt diese Zuschreibung immer recht zuverlässig. Wer nicht schlecht druff kommen will, für den ist Die Kalten und die Toten nicht gemacht. Ein eisiger Winterwind bläst Trübsal in die Stadt, die Kommissare Nina Rubin (Meret Becker in ihrem vorletzten Fall) und Robert Karow (Mark Waschke) sprechen noch rüder miteinander als sonst (bei gleichzeitigem Siezen), Rubin zweifelt noch mehr an ihrem Job, Kinder führen ihr eigenes, manchmal verstörend kaltes Leben, aber sind natürlich Engel - für ihre Eltern.
In die Tristesse rollt Herr Aslan aus Bielefeld und singt Elvis-Karaoke
Drei dieser jungen Menschen verabreden sich zum Sex, am Ende ist eine tot, zwei geraten in Verdacht, einer ist einschlägig vorbestraft. Die Kripo ermittelt. Wenn man das Ding kriminalistisch betrachtet, ist da nicht viel mehr drin in der Story (Buch: Markus Busch, Regie: Torsten C. Fischer). Wer Spannung erwartet, zappt besser weiter, es geht hier um Dramen in einer Gesellschaft ohne Empathie, um verkommene Moral, um Lebenslügen von Eltern, die ihren Kindern helfen wollen, aber alles schlimmer machen.
Da wäre der letscherte Dennis Ziegler (Vito Sack), der sich den Hintern von seiner Mutter (Jule Böwe) nachtragen lässt. Sie ist Polizistin und haut ihn immer wieder raus, wenn er angezeigt wird, wegen Körperverletzung oder Vergewaltigung. Da ist seine naive Freundin Julia Hoff (Milena Kaltenbach), die ein Kind hat, aber selbst noch ein Kind ist, also übernimmt ihre Mutter gerne. Da ist die Medizinstudentin Sophia Bauer, die bisexuell ist und sich mit ihnen über eine Dating-App zum Sex verabredet, was ihre Eltern nicht wahrhaben wollen. Das kann nicht ihr "Fienchen" sein, das tot am Engelbecken liegt. Nach einem Dreier? Nein. In dieser Stadt sind alle Kinder Engel.
In die Tristesse rollt Herr Aslan aus Bielefeld. Der wird gespielt von Comedian Tan Çağlar, der auch im echten Leben im Rollstuhl sitzt. Er ist der neue Polizist an der Seite von Rubin und Karow, er recherchiert akribisch, singt Elvis-Karaoke, ruft den Kommissaren zu: "Ich warte gerne, ich lauf nicht weg." Eigentlich ganz heiter, aber in Berlin gibt es nichts zu lachen. Der Ostwind pfeift, noch eine Leiche, "Arschlöcher" überall, auch in der Staatsanwaltschaft, und Rubin seufzt in dieser kalten Stadt: "Ich will endlich mal wieder was Schönes, was Warmes, was Lustiges, was Lebensfrohes." Einen letzten Fall muss sie noch durchstehen.
Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.