"Tatort" aus Köln:Bitte durchhalten

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Der eine wird unterschätzt, der andere schmollt: die Kölner Kommissare Ballauf (r.) und Schenk. (Foto: dpa)

Pflanzen streichelnde Patienten, Dialoge voller Klischees und ein schmollender Kommissar lassen einen bei "Gefangen" oft ächzen. Aber die Spannung kommt, versprochen.

Von Theresa Hein

Diese Rezension wurde zur Erstausstrahlung des Tatorts am 17. Mai 2020 veröffentlicht. Am 10. Juli 2022 wird der Fall im Ersten wiederholt, weswegen wir den Text erneut publizieren.

Kommissar Ballauf (Klaus J. Behrendt) ist mal wieder vor allem mit sich selbst beschäftigt. Und in diesem Kölner Tatort mit dem Titel "Gefangen" bestätigt sich rasch die Vermutung, dass die Filme, in denen das Seelenleben der Kommissare im Vordergrund steht, nicht unbedingt die stärksten sind. Ballauf jedenfalls stürmt mit Vorliebe wortlos aus Zimmern und ignoriert alle Gesprächspartner. Einmal legt er sich schmollend auf ein wildfremdes Bett, obwohl er wirklich was anderes zu tun hätte (der Besitzer des Bettes liegt nebenan ermordet auf dem Teppich und kann nicht mehr protestieren).

Ballaufs Verhalten hat natürlich einen Grund, der Tod der Kollegin Melanie Sommer belastet ihn bis zur verbalen Entgleisung (das erste "Leck mich" ist schnell ausgespuckt). Wie gut, dass der neueste Fall ihn mit seinem Kollegen Schenk (Dietmar Bär) direkt in die psychiatrische Klinik des vornamenlosen ermordeten Chefarztes Professor Krüger führt (das ist der vom Teppichboden). Dort trifft Ballauf die Patientin Julia Frey, gespielt von Frida-Lovisa Hamann. Frey glaubt sich in der geschlossenen Abteilung zu Unrecht gefangen gehalten; sie und der Kommissar verstehen sich auf Anhieb ohne große Worte. Vermutlich erkennt Julia Frey die gequälte Seele von Max Ballauf in dessen Blick, denn die Augen sind bekanntlich der Spiegel zur Seele der Drehbuchautoren.

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Vor lauter Erwartbarkeit muss man ein paar Mal leise vor dem Fernseher ächzen. Zum Beispiel über die Darstellung der Psychiatrie, samt pflanzenstreichelnder Patienten. Durch die Dialoge (niemand in diesem Film wird müde zu betonen, er oder sie sei "gefangen") ist das Thema Unfreiheit gesetzt, und stur bewegen sich auch die Macher dieses Tatorts innerhalb der gähnend langweiligen Gitterstäbe uralter Fernsehkonventionen. Das Basteln eines Bingospiels ist ratsam.

Trotzdem gibt es Szenen, für die sich dieser Tatort sehr lohnt, allein für jede mit Frida-Lovisa Hamann. Sie verleiht ihrer Figur und deren Wollmützen-Yogaoutfit eine beeindruckende Tiefe und mäandert souverän zwischen rehäugig und kaltblütig mit Rasierklinge drohend. Und für manchen Dialog im Drehbuch (Christoph Wortberg), etwa als ein Verdächtiger zu Freddy Schenk sagt, "Ich hab sie unterschätzt, Herr Schenk", und Schenk antwortet, "Da sind Sie nicht der Erste". Dann fährt er sich über die Schenk'schen Stoppeln und fügt hinzu "und nicht der Letzte".

Erst, als der Fernsehzuschauer in Gedanken schon längst beim Zähneputzen ist, klopft in diesem Film unter der Regie von Isa Prahl doch noch die Spannung an. Durchhalten bitte, denn sie kommt.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

© SZ vom 16.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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