SWR-Doku über YouTube:Mal peinlich, mal lustig

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Mit einem knackigen Model, verspielten Tierchen und einem süßen Kleinkind versucht der SWR, den perfekten YouTube-Clip zu basteln. Was misslingt. Genauso wie der Versuch, dem Zuschauer dieses Online-Phänomen YouTube zu erklären.

Michael Moorstedt

Ein kleiner Junge beißt seinen etwas älteren Bruder in den Finger. Dies ist der Plot des erfolgreichsten Videos aller Zeiten. Der 56 Sekunden lange Clip wurde mehr als 460 Millionen Mal angesehen, seitdem er vom Vater der beiden 2007 auf YouTube hochgeladen wurde. Fünf Jahre später reicht das dem SWR, um in der Reihe betrifft hinter die "Kulissen der größten Bühne der Welt" zu blicken.

Schon nach fünf Minuten scheint der Film in die falsche Richtung zu driften - offensichtlich herrschen bei den Öffentlich-Rechtlichen noch Ressentiments gegen die Weltbebilderungsmaschine. Und so startet man den nur halb ernst gemeinten Versuch, das perfekte YouTube-Video zu produzieren: "Ein knackiges Model, ein paar verspielte Kätzchen und ein süßes Kleinkind". Die Autoren kriegen dann doch noch die Kurve und suchen - nachdem das eigene Video erwartungsgemäß abstinkt - Menschen, die "es" geschafft haben.

Diese Spurensuche macht den Großteil der 45-minütigen Doku aus. Es gibt solche "YouTuber", die per Zufall zu Ruhm gelangen wie den "DJ der guten Laune", der in einem Heimvideo beim expressiven Plattenauflegen gefilmt wurde und sein Geld jetzt als Dorfdisco-Animateur verdient. Und jene, die ihre Karriere auf der Videoplattform akribisch planen wie die Jungs der Internet-Komikertruppe Y-Titty. Das ist manchmal peinlich und manchmal lustig. Leider schaffen es die Autoren selten, diesen gewissen Ton abzulegen, wenn es um Online-Phänomene geht. Ein bisschen ironisch, ein bisschen gönnerhaft.

Stattdessen wird versucht, auch im Jahr Sieben von YouTube noch mit den Superlativen zu beeindrucken. Also gut: Jeden Tag werden allein in Deutschland 100 Millionen Videoclips angesehen, jede Minute 60 Stunden Material hochgeladen, der von Youtube erzeugte Traffic macht zehn Prozent des gesamten Internet-Datenverkehrs aus. Längst bekannte Fakten. Die sozio-ökonomischen Bedeutungen dieser Zahlen spart man aus.

Denn YouTube ist längst keine Variante der lustigsten Heimvideos mehr. Stars wie Madonna, Jay-Z oder Ashton Kutcher befüllen als vom Unternehmen beauftragte "Kuratoren" eigene Kanäle. Und für überraschend viele Menschen stellen die Werbeeinnahmen, die sie über das YouTube-Partner-Programm erhalten, mittlerweile die Haupteinnahmequelle dar. Pro tausend "Views" schüttet die Plattform bis zu drei Dollar an die Teilnehmer aus.

Einige hundert davon, so das Unternehmen, verdienen jährlich sechsstellige Beträge. Natürlich ist YouTube daran gelegen, dass die Entwicklung voranschreitet. Mit dem "Next Up"-Programm hat man eine Art Webvideo-Stipendium ins Leben gerufen - die Gewinner erhalten 35.000 Dollar, um ungestört ihre Karriere zu verfolgen. Doch von alldem erfährt der Zuschauer nichts.

betrifft: Youtube-Helden, SWR, 21 Uhr.

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© SZ vom 04.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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