Streaming:Präsident um jeden Preis

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Ein klares Ziel vor Augen: Payton Hobart (Ben Platt) will Präsident werden. Vorher muss er sich gegen listige Mitschüler durchsetzen. (Foto: Netflix)

Die toll besetzte Serie "The Politician" zeigt eiskalte Machtspiele an einer kalifornischen Eliteschule.

Von Annett Scheffel

Auf den ersten Blick war der Spot nicht besonders raffiniert, der während der Emmy-Verleihung im US-Fernsehen lief. 40 Sekunden lang wurden da die Namen berühmter Darsteller aneinandergereiht: Gwyneth Paltrow, Ben Platt, Jessica Lange, Judith Light, Bette Midler. Klar, die Netflix-Serie The Politician ist toll besetzt. Aber viel wichtiger: "Alle sagen, es sei eine Ehre nominiert zu sein, aber seien wir ehrlich: Wir alle lieben Gewinner", kommentiert im Spot eine Stimme aus dem Off. Und das ist dann doch raffiniert, gilt es doch für das Showbusiness genauso wie für Protagonisten, die die Luxusvillen, penibel gepflegten Gärten und Eliteschulen der beworbenen Serie The Politician bevölkern: Etwas anderes als der oder die Beste zu sein ist nicht vorgesehen im minutiös vorbereiteten Karriereplan.

Erzählt wird in der Highschool-Satireserie die Geschichte von Payton Hobart (Ben Platt), der als Adoptivsohn einer ultraprivilegierten Milliardärsfamilie in Kalifornien einen amüsanten, aber psychisch bedenklichen Ehrgeiz an den Tag legt. Sein Plan, von klein auf: Studium in Harvard, Politikerkarriere, und klar, Präsident werden.

Vorerst muss er die erste Hürde meistern und sich bei der Wahl des Schülersprechers an seiner Privatschule gegen listige Mitschüler durchsetzen. Als Vorbereitung hat er die Biografien früherer Präsidenten studiert. Nur bis Reagan zurück, weil der die moderne Präsidentschaft erfunden habe: "Die Präsidentschaft des Fernsehzeitalters und Prominentenkults. Für die meisten Leute ist ein guter Präsident wie eine Figur, die sie aus dem TV kennen."

Die Geschichte ist geistreich, schnell und visuell absolut perfektionistisch erzählt

Ryan Murphy und Brad Falchuk, die Macher, wurden mit der Musicalserie Glee bekannt. Dass ihr neues Projekt diesmal weniger Highschool-Drama als bitterböse politische Satire mit Staraufgebot ist, eine Art House of Cards für die Teenager, spricht auch für ihre eigenen Ambitionen. The Politician ist geistreich und schnell erzählt. Und auch wenn die Welt, von der hier die Rede ist, zunächst irritierend künstlich wirkt, werden der visueller Perfektionismus und die zynischen Pointen spätestens ab der dritten Folge erstaunlich ansteckend. Die oberen ein Prozent werden hart rangenommen: die pubertierenden Mini-Politiker und ihre Eltern, die sich noch schlechter benehmen. Es gibt einen Wink in Richtung des Bestechungsskandals um Zulassungen zu US- Eliteuniversitäten. Und Debatten über Themen wie Waffenkontrolle und Geschlechtergerechtigkeit, derer sich die Protagonisten eher aus strategischen Zwecken bedienen als aus echter Überzeugung.

Im Kern geht es um die große Frage nach der Authentizität in der Gegenwart der sorgfältig gestalteten Online-Identitäten: Wie kuratiert man das eigene Leben optimal? Dass das in der Zeit von Trump (der unerwähnt bleibt) und Fake News auch eine politische Frage ist, macht die Serie spannend. Sie führt Intrigen, Identitätstricksereien und zahlreiche Plot Twists auf der größten aller US-Bühnen auf: dem politischen Wahlkampf. Über den kann man mit einer kalifornischen Eliteschule als Schauplatz die fiesesten Witze machen.

The Politician , auf Netflix*

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© SZ vom 26.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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