Streaming:Deutsche Konkurrenz für US-Streaminganbieter

Trend TV-Serien - ´Netflix"

US-Streaminganbieter wie Netflix und Amazon Prime bekommen Konkurrenz aus Deutschland: Immer mehr TV-Sender arbeiten an eigenen Streamingplattformen.

(Foto: dpa)
  • Deutsche TV-Sender arbeiten seit Längerem an Alternativen zu US-Streamingdienstleistern wie Netflix und Amazon Prime.
  • Hierfür setzen viele Sender auf Kooperationen. Bis vor wenigen Jahren verhinderte das Kartellamt noch einen Zusammenschluss.
  • Anstelle einer Vielzahl gesonderter Sendermediatheken plädiert Leonhard Dobusch, Mitglied des ZDF-Fernsehrates, für ein "öffentlich-rechtliches Internet".

Von Karoline Meta Beisel

Beinahe wären ARD und ZDF ihrer Zeit weit voraus gewesen: Schon 2010 hatten sie die Idee für eine große deutsche Streamingplattform, das gemeinsame Projekt sollte "Germany's Gold" heißen. Doch das Kartellamt sagte nein, genau wie zuvor schon zu einem Gemeinschaftsportal von RTL und ProSiebenSat. 1 ("Amazonas"). Aber die Zeiten haben sich geändert. 2014 kam Netflix nach Deutschland und warf gemeinsam mit Youtube und Amazon Prime die Sehgewohnheiten der Zuschauer über den Haufen. Jetzt wünschen sich viele, es gäbe doch eine heimische Plattform, die es mit den Diensten aus den USA aufnehmen könnte. Die ganze Branche, so scheint es, schmiedet Pläne, um den US-Konzernen Konkurrenz zu machen - oder machen sie am Ende vor allem einander Konkurrenz? Wer arbeitet eigentlich an was? Ein Überblick.

7TV von ProSiebenSat. 1

ProSiebenSat. 1 und der US-Konzern Discovery sind mit ihrem Vorhaben schon sehr weit - 7TV gibt es nämlich schon. Die App bietet die beteiligten Sender als Livestreaming-Angbebot sowie Sendungen, die im Free-TV der beiden Unternehmen zu sehen sind, in einer gemeinsamen Mediathek. Seit März gehören auch die Sender Welt und N24 zum Verband. Ende Juli hat das Bundeskartellamt den Medienhäusern erlaubt, 7TV noch einmal deutlich auszubauen, und die Plattform um die Streamingangebote von Eurosport und Maxdome zu erweitern. Die neue Plattform soll dann Anfang 2019 starten und bis 2021 zehn Millionen Nutzer gewinnen. Wenn es nach dem neuen Vorstandsvorsitzenden von ProSiebenSat. 1, Max Conze geht, könnte die Plattform noch viel mehr Anbieter aufnehmen: "Ich lade hiermit RTL, ARD und ZDF ein, mit uns gemeinsam einen deutschen Champion zu schaffen", sagt er. Das Kartellamt hat bereits angekündigt, dass es bei der nächsten Erweiterung wieder ein Wörtchen mitreden will.

TV Now von RTL

Die Frage nach Zusammenschlüssen mit anderen Sendern hat der Vorstandsvorsitzender der RTL Group, Bert Habets, in der FAZ kürzlich damit beantwortet, dass man "für Partnerschaften in einzelnen Bereichen sehr offen" sei. Nichtsdestotrotz will die Mediengruppe auch das eigene Streaming-Angebot "TV Now" ausbauen. Im Winter soll die erweiterte Plattform starten, mit exklusiven Inhalten wie Serien, aber auch mit Shows und Reality TV. In Frankreich beteiligt sich der Konzern mit seinem Sender M6 gerade an der Streamingallianz "Salto", an der außer dem Kanal TF1 auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen beteiligt ist. Ein Vorbild auch für Deutschland? Wäre hierzulande solch ein Schulterschluss angedacht, müsste jedenfalls auch hier das Bundeskartellamt befragt werden.

Leonhard Dobuschs Internetintendanz

Leonhard Dobusch, Professor an der Universität Innsbruck und Mitglied des ZDF-Fernsehrates, wirbt für ein "öffentlich-rechtliches Internet" jenseits der Anstalten. Ihn stört, dass die Inhalte von ARD und ZDF, der Deutschen Welle und der dritten Programme in 13 getrennten Mediatheken über das Internet verstreut sind. Stattdessen schwebt ihm eine zentrale, offene Plattform vor, die alle anderen Mediatheken ersetzen soll, aber zugleich personalisierbar ist. "Eine Art öffentlich-rechtliche Alternative zu Youtube", sagt Dobusch, an der sich auch Nutzer mit eigenen Beiträgen beteiligen könnten. Mit dem Unterschied, dass der Algorithmus solch einer Plattform eben nicht auf möglichst viele Klicks und möglichst große Emotionen programmiert wäre - sondern darauf, den Nutzern ein Angebot zu präsentieren, das dem Prinzip der Vielfalt genügt. Besonders wichtig ist ihm, dass so eine Plattform auf Open Source-Software beruht, also einer Software, die jeder verwenden, kopieren oder verändern darf: "Das ist die einzige Möglichkeit, den Teilnehmern die Angst vor so einem Gemeinschaftsprojekt zu nehmen", sagt er. Ansonsten fürchtet er, dass alle weiter an eigenen Plattformen werkeln - so wie sie bisher auf eigene Mediatheken gesetzt haben.

Kulturplattform des ZDF

Schon 2016 hat das ZDF eine "Kulturplattform" angekündigt, die Inhalte von ZDF, arte, 3sat oder den Digitalkanälen des Senders an einem Ort zugänglich machen will - und in die auch Inhalte von Museen oder anderen Kultureinrichtungen eingebunden werden sollen. Danach hörte man lange nichts Konkretes; beim ZDF heißt es auf Anfrage, es gebe derzeit "keinen neuen Stand dazu". Auf der Digitalmesse Republica im Mai sagte ZDF-Intendant Thomas Bellut immerhin: "Da arbeiten wir dran, es ist viel, viel Arbeit." Wahrscheinlich also, dass da noch was kommt - aber eben mit einem Fokus auf Kultur.

Ulrich Wilhelms europäische Plattform

Die Idee des ARD-Vorsitzenden und BR-Intendanten Ulrich Wilhelm macht unter dem Schlagwort "Supermediathek" die Runde. Tatsächlich geht es Wilhelm aber nicht nur um eine Alternative zu Netflix oder Youtube, sondern ganz generell um die Rückeroberung des digitalen Raums. Wilhelm fürchtet, dass die Öffentlichkeit im Netz ansonsten in polarisierte Teilöffentlichkeiten zerfallen könnte, die miteinander gar nicht mehr ins Gespräch kommen: "Für die Stabilität eines Landes ist es wichtig, dass es einen gemeinsamen öffentlichen Raum gibt, in dem man Kontroverseren auf vernünftige Art austragen kann", sagt er. De facto sei der digitale öffentliche Raum aber im Privatbesitz einiger weniger US-Konzerne; darauf zu bauen, dass der Markt oder die Regulierung der Konzerne es schon richten werde, reiche nicht aus.

Wilhelm wirbt darum für eine politische Initiative innerhalb der Europäischen Union. Frankreich und Deutschland sollen vorangehen, und mit Risikokapital einen Prototypen für das zu entwickeln, was Wilhelm eine "europäische Plattform" nennt, an der sich nicht nur öffentlich-rechtliche und private Fernsehsender, sondern vielfältige Institutionen wie Verlage, Universitäten oder Museen beteiligen sollen, mit ihren jeweils ganz unterschiedlichen Geschäftsmodellen. Auch Bürger sollen sich beteiligen können: "Wie genau, das muss dann verhandelt werden", sagt Wilhelm. Er gibt sich bewusst so vage: Er wolle mit der ARD nicht zu viel vorgeben, sondern andere einladen, die Plattform gemeinsam zu gestalten. ZDF-Intendant Thomas Bellut hat schon klar gemacht, was er von der Idee hält: "Ein überzeugendes Modell für eine Supermediathek sehe ich nicht."

Von anderer Seite gibt es aber auch begeisterte Zustimmung. Es heißt, Ulrich Wilhelm sei bereits mit einem führenden Kopf aus der deutschen Verlagsbranche im Gespräch; und auch aus der EU kommen erste positive Signale: Jean-Marie Cavada, früher Präsident von Radio France und jetzt stellvertretender Vorsitzende des Rechtsausschusses im Parlament, sei "glücklich, mich in diesem so grundlegenden Kampf nicht mehr alleine zu fühlen", schrieb er Wilhelm in einem Brief. Er schlägt ein Treffen vor.

Was vielleicht noch besser wäre: Ein Treffen, bei dem alle mit ihren Plattformideen zusammenkommen.

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