Sport:Wiedersehen mit Mourinho

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Wie ein Maler vor seinem Werk: Mourinho guckt Mourinho. (Foto: DAZN)

Die Dokuserie "The Making Of" lässt Fußballer wichtige Karrieremomente noch einmal erleben - und macht vieles richtig.

Von Thomas Hürner

José Mourinho steht in einem finsteren Raum - wie ein Maler vor seinem größten Werk. Er hat es bereits vor einigen Jahren vollendet, aber während es nochmal über die Leinwand vor ihm flimmert, entdeckt der portugiesische Fußballtrainer so manches neue Detail. Mourinho spricht von der Obsession, dieses Spiel zu gewinnen, und erzählt von der Strategie, mit der er es gewann. Das Spiel fand 2010 in Madrid statt, Champions League-Finale gegen den FC Bayern, Mourinho war Trainer des Traditionsklubs Inter Mailand. Ein Abend übrigens, dem es keineswegs an filmreifen Pointen mangelte: Der Lehrling gegen seinen ehemaligen Meister, die Last einer jahrzehntelangen Sehnsucht und eine Mannschaft, die es noch einmal allen beweisen wollte.

Die Serie The Making of, die erste globale Doku-Eigenproduktion des Streamingdiensts Dazn nach dem gelungenen Serienporträt Being Mario Götze, folgt einer vergleichsweise simplen Dramaturgie: Es gibt einen Hauptdarsteller, einen besonderen Karrieremoment und einige Weggefährten, die sich mit dem Hauptdarsteller an diesen erinnern. Es gibt große Emotionen, ein bisschen Pathos und in jeder Folge ein Happy End. Eigentlich wenig verwunderlich, haben alle Hauptdarsteller doch einen Hang zur Selbstvergöttlichung und ein ausgeprägtes Geltungsbedürfnis. Neben Mourinho, der sich einst ungefragt den Beinamen "The Special One" gab, treten mit Cristiano Ronaldo und Neymar Jr. die exzentrischsten Ballartisten der Branche auf, ihr Legendenstoff verteilt sich auf je drei Folgen à 30 Minuten.

Kritische Töne sind nicht zu erwarten, wenn Ronaldo über Ronaldo spricht

Was wurden Fußballfans nicht schon verschaukelt mit als Doku getarnten Hochglanzwerbefilmen. Der italienische Rekordmeister Juventus Turin wurde eine Saison lang für eine Netflix-Serie begleitet, es wurde ein mit Floskeln überladenes Schauspiel, das Nähe höchstens vorgetäuscht hat. Der Klub, sorgfältig inszeniert als eine einzige, große Familie. Bei Amazon Prime gibt es das Äquivalent dazu: ein Jahr lang unterwegs mit dem Scheichklub Manchester City, hollywoodmäßige Bilder und Klänge, das gleiche oberflächliche Resultat.

Nun sind natürlich keine kritischen Töne zu erwarten, wenn Cristiano Ronaldo über Cristiano Ronaldo spricht, und natürlich ist auch The Making of eine weitere Erzählung seiner Heldengeschichte. Die Serie ist aber nicht überzeichnet wie die meisten neuen Fußball-Dokus, durch ihre Schlichtheit schafft sie echte Intimität. Der Protagonist sitzt im dunklen Kämmerlein und sieht noch einmal die Szenen von damals, jede Folge behandelt eines seiner wichtigsten Spiele. Und dann geschieht es: Auf einmal sitzt da ein aufgeregter Junge, aufgewachsen unter ärmlichen Bedingungen auf der portugiesischen Insel Madeira, weitergezogen nach Lissabon für seinen großen Traum.

Es war ein Sommertag im Jahr 2003, Sporting empfängt den englischen Spitzenklub Manchester United für ein belangloses Freundschaftsspiel, aber für den 18-jährigen Ronaldo ist es viel mehr: Die Folge trägt den Titel "Das Vorspielen". Er geht raus auf den Platz, er narrt seine Gegenspieler, einen nach dem anderen, immer und immer wieder. Einer der Genarrten, der irische Verteidiger John O'Shea, drückt es so aus: "So wie der Abend lief, wurde uns klar, dass wir etwas Besonderes sehen." Ronaldo schaut tief in die Kamera und sagt: "Ich wusste, wenn ich gut spiele, dann werden sie interessiert sein." Der Legende nach soll United-Trainer Sir Alex Ferguson noch auf dem Rückflug die Anweisung gegeben haben, diesen Wunderknaben zu verpflichten. Der Rest ist Fußballgeschichte.

Und weil sich The Making of mit nichts weniger befasst, macht die Serie vieles richtig, was andere zuletzt falsch machten. Sie ist so etwas wie eine Rückkehr in Zeiten, als es noch sehenswerte Fußball-Dokus gab, etwa die Sky-Produktion 4 Minuten im Mai, die in ähnlicher Art das Bundesliga-Finale des Jahres 2001 nacherzählt. Letztlich ist es ja so, dass Menschen Sport schauen, weil sie sich nach genau solchen Momenten sehnen. Oder wie es José Mourinho ausdrückt, während er sich eines seiner Werke ansieht: "Es ist fantastisch. Diese Dinge sind für die Ewigkeit."

T he Making of , Dazn.

© SZ vom 17.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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