Heimtrainer und Serien:Sport ist Mord

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Vor dem Work-out: Carrie (Sarah Jessica Parker) und Mr. Big (Chris Noth) in "And Just Like That...". (Foto: Craig Blankenhorn/dpa/Warner/Sky)

Vorsicht, Spoiler: Ein Held stirbt in "Sex and the City" nach dem Work-out auf einem Peloton. Ist das der Tod des Heimtrainings?

Von Aurelie von Blazekovic

Wer es bis in den zweiten Corona-Winter geschafft hat, braucht Strategien. Nicht nur die politischen und medizinischen, es braucht ganz persönliche Wege, um mit all den Einschränkungen und Zusatzbelastungen klarzukommen, mit Wintergräue, Masken und Distanz. Nur konsequent ist jetzt die Flucht nach vorne, zum Beispiel in die körperliche Aktivität. Oder zumindest mal, dabei zuzusehen. Zum Beispiel Mr. Big, dem von Chris Noth gespielten Traumtyp aus Sex and The City, seit 1998 angehimmelt von seiner Serien-On-off-Partnerin Carrie Bradshaw, also Sarah Jessica Parker, und einem riesigen Fanpublikum.

In der gerade auf Sky gestarteten Fortsetzung der Kultserie mit dem Titel And Just Like That sind die Figuren in ihren Fünfzigern angekommen. Mr. Big und Carrie haben es sich in ihrer Beziehung gemütlich gemacht, verbringen die Abende auch ohne Pandemie mit Fine Dining zu Hause, es gibt Wein und Zigarren. Und dann, irgendwann in Folge eins, steigt Mr. Big mit seinem Wohlstandsbäuchlein auf seinen Heimtrainer des Premiumherstellers Peloton. Für ein energisches, ein, wie sich herausstellen wird, fatales Work-out.

Radeln, ohne vom Fleck zu kommen: das Peloton. (Foto: Peloton)

Als Carrie ihr Apartment in Manhattan betritt, findet sie Mr. Big auf dem Boden, Herzinfarkt nach der Peloton-Schinderei. Dass der Mann nach all dem Drama und Herzschmerz zum Auftakt der neuen Serie stirbt, dürfte Fans einen ähnlichen Schock verpassen wie James-Bond-Fans das Ende des aktuellen Kinofilms.

Carrie umarmt den Sterbenden lange schluchzend, einen Notarzt ruft sie nicht, und die Szene endet ohne Rettungsversuche mit dem Satz: "And just like that, Big died." Wie damals in Titanic, als Leonardo DiCaprio sterben musste, weil das Türblatt, auf das sich Kate Winslet im Meer gerettet hatte, nur ein Gewicht tragen konnte - eben das von Kate.

Stellt sich die dringende Frage: Ist das Training auf dem Peloton wirklich so gefährlich?

Der Lebensstil der Figur sei schuld, sagt eine Peloton-Sprecherin

Um in diesen Zeiten irgendeine Form von Ausgleich zu finden, gehen ja inzwischen selbst größte Sportverweigerer laufen, machen Online-Yogakurse oder versuchen, irgendwie noch ein Rennrad zu ergattern, um sich alles abzustrampeln und die Home-Office-Rückenschmerzen loszuwerden. Rennräder sind wegen hoher Nachfrage und weltweiten Lieferengpässen kaum noch zu kriegen. Das Modell im Hause Bradshaw/Big, das Peloton, ist ein Fitnessbike für zu Hause für 1500 bis 3000 Euro, mehrere Wochen Wartezeit bei Neuanschaffung, seit 2019 auch in Deutschland erhältlich. Es hat die Besonderheit, dass man sich mit einem integrierten Tablet in Live-Fitnesskurse einwählen und zu lauter Musik einsam, aber nicht allein in die Pedale treten kann.

Folge eins des Sex and the City-Revivals löste bei dem US-Hersteller sofort die erwartbare Kommunikationskaskade aus. Man habe von dem Serienauftritt des Heimtrainers nicht gewusst, von product placement könne selbstverständlich nicht die Rede sein. Und die Kardiologin Suzanne Steinbaum, Mitglied des Health-und-Wellness-Beirats von Peloton, sagte in einem Statement: "Mr. Big führte einen Lebensstil, den viele als extravagant bezeichnen würden - mit Cocktails, Zigarren und Steaks -, und war ernsthaft gefährdet, da er in der letzten Staffel 6 bereits ein kardiales Ereignis hatte."

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Half alles nichts, die Botschaft ist hier schweißperlenklar: Sport ist Mord. Das machte sich auch sofort auf dem Aktienmarkt bemerkbar. Nach Erscheinen der Folge sackte die Peloton-Aktie am Freitag fünf Prozent ab. "Glücklicherweise," das teilte Peloton Deutschland auf Anfrage mit, sei aber den meisten Menschen und insbesondere der Peloton-Community "der positive Effekt regelmäßigen Trainings auf die Herzgesundheit bewusst".

And just like that: In einem gesünderen Paralleluniversum lebt Mr. Big weiter

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Heimtrainer zum TV-Star wird. Kevin Spacey bekam als Politiker Frank Underwood in House of Cards von seiner Frau einen Water Rower geschenkt, ein Rudergerät, damit er was für sein Herz tut, der korrupte, alternde Mann. Underwood, der so etwas wie einen Ruhepuls vermutlich gar nicht hat, ruderte also im einsamen Keller und ruderte voller Wut und Machtfantasien Richtung nächste Intrige. Laut Wall Street Journal schossen jedes Mal, wenn eine neue Staffel von House of Cards bei Netflix online ging, die Bestellungen für den Water Rower in die Höhe. Tödlich war der allerdings nicht, bis heute wird das Ding im Internet als "das Rudergerät aus House of Cards" beworben.

Anders als auf dem Ruderergometer ist man auf dem Peloton nicht einsam, man schaltet sich in Sportkurse, man kann mit lauter Musik beim Abstrampeln fast schon ein bisschen Nachtclub-Atmosphäre herstellen. Fast wie im Fitness-Studio, wo Spinning-Kurse und Cycling-Work-outs mit lauter Musik zwischen den Lockdowns boomen. Näher kommt man einer Party kaum, in diesen Tagen. Sex and the City lag eben nicht nur modisch, sondern auch was Fitness-Trends angeht, schon immer weit vorn. Die Clique um Carrie, Miranda, Samantha und Charlotte war in der ersten Staffel 1998 beim Yoga zu sehen, lange bevor jeder Deutsche eine Yogalehrer-Ausbildung absolviert hatte.

Ob der Tod von Mr. Big den Tod des Heimtrainings bedeutet? Nun, Freizeitgeräte haben schon Schlimmeres überlebt. Beispielsweise diese wirklich tragische, weil nicht fiktive Geschichte: Mit 62 Jahren starb James Heselden, der britische Eigentümer des Unternehmens Segway, weil er mit seinem Gefährt einen Hang hinuntergestürzt und tödlich verunglückt war. 2010 war das. Der Stehroller wurde danach noch weitere zehn Jahre lang produziert - bis er sich erst 2020 der Konkurrenz durch die eleganteren neuen E-Roller geschlagen geben musste.

Bei Peloton gab sich bislang niemand geschlagen. Um den pandemiebedingten Erfolg zu reanimieren, produzierte das Unternehmen am Sonntag rasend schnell einen Werbeclip, der Mr. Big (wohlauf, bestens gelaunt) mit einer Peloton-Trainerin zeigt, der Titel: "He's alive." Big hat sich dort offenbar erholt und will wieder auf sein Fitnessfahrrad steigen, eine Stimme aus dem Off sagt: "And just like that" sei die Welt daran erinnert, dass normales Radfahren Herz, Lunge und Blutzirkulation stimuliere und verbessere, das Risiko von Herzerkrankungen reduziere, dass Radfahren die Herzmuskeln stärke, den Ruhepuls reduziere und die Blutfettwerte senke. Gute Nachrichten also an Mr.-Big-Fans: Der Mann lebt, in einem gesünderen Werbeparalleluniversum.

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