Fernsehen:Das ist die neue Hauptdarstellerin von "Alarm für Cobra 11"

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Ihre Stunts dreht sie am liebsten selbst, auch wenn die Arbeitstage lang werden: Schauspielerin Pia Stutzenstein, 31, am Set. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

24 Jahre nach Start der Ballerserie ist Pia Stutzenstein die erste Frau an der Seite von Erdoğan Atalay. Eine Autofahrt durch Köln.

Von Jana Stegemann, Köln

In elf Monaten Dreharbeiten hat Pia Stutzenstein zwei Luxusautos zu Schrott gefahren. "Crazy, oder", sagt sie und lacht. Sie schaut in den Rückspiegel, bremst leicht, lenkt das Auto näher an die Verkehrsinsel heran. Einige Meter vor dem dunklen Coupé läuft eine Taube in aller Ruhe über die Straße. "Na komm, Täubchen", sagt sie. Der Vogel hat die andere Straßenseite erreicht, Stutzenstein beschleunigt, Fahrtwind strömt durchs Schiebedach ins Innere. Es ist ein Montagabend im August, die Sonne steht schon tief über Köln. Autos zu Schrott zu fahren, das gehört zu Stutzensteins neuem Job. An ihrem ersten Arbeitstag, der gleich bis 6 Uhr morgens dauerte, wurde sie verprügelt. "Da dachte ich: Alles klar, das ist also Alarm für Cobra 11. Let's do it."

Stutzenstein, 31, ist die neue, aber vor allem die erste Hauptdarstellerin an der Seite von Erdoğan Atalay als Kommissar Semir Gerkhan. Seit fast einem Vierteljahrhundert läuft die Actionserie einmal wöchentlich bei RTL. Doch mit der 26. Staffel von Alarm für Cobra 11. soll jetzt alles anders werden. Die Verantwortlichen haben den "größten Relaunch der Seriengeschichte" angekündigt. Vor allem geht es wohl darum, gegen Netflix und andere Streaminganbieter zu bestehen und sich ein neues, auch weibliches Publikum zu erschließen - ohne die Fans zu vergraulen. Was die Quote angeht, ist der Auftakt schon mal geglückt: Die ersten beiden Folgen der neuen Staffel brachten RTL am vergangenen Donnerstag Marktanteile von 16,8 und 15,2 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen ein. Ein tiefschürfendes Sozialdrama sollten die Zuschauer und Zuschauerinnen aber nun trotzdem nicht erwarten. Es brennt zwar weniger, Action ist aber dennoch reichlich geboten. Und auch das durchgestylte Großraumbüro der Autobahnpolizei sieht eher nach CSI Miami als nach NRW-Standard aus.

Die Produktion über die Arbeit einer fiktiven Autobahnpolizei in Nordrhein-Westfalen ist der erfolgreichste deutsche Serienexport und wurde schon in mehr als 140 Ländern ausgestrahlt. Auf brennende Autos, breitbeinige Kommissare und brenzlige Verfolgungsjagden können sich eben viele Menschen einigen - trotz vorhersehbarem Plot und eher schlichten Dialogen. Die Stars der Sendung waren bislang immer: zwei männliche Autobahnpolizisten, die ballernd über die Straßen bretterten und Bösewichte jagten. Bis zum Happyend explodierte und krachte es alle paar Minuten.

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Im März 1996 verfolgten zehn Millionen Zuschauer in Deutschland den Pilotfilm "Bomben bei Kilometer 92". Seitdem sind 24 Jahre und mehr als 360 Folgen vergangen, mehr als 7000 Autos wurden kaputtgefahren, Tausende Stunts mit Booten, Motorrädern und Autos abgedreht. Von Beginn an spielt Erdoğan Atalay die Hauptrolle. An seiner Seite über die Jahre: acht verschiedene männliche Partner von Mark Keller über Gedeon Burkhard bis Tom Beck. Atalay, 53, sagte vor Drehbeginn der neuen Staffel: "Wir haben viele Jahre das Buddy-Team erzählt, nun ist der richtige Zeitpunkt für eine Partnerin. Mit Pia haben wir eine toughe Frau gefunden." Weibliche Serienkommissarinnen gibt es im deutschen Fernsehen viele, eine Actionheldin fiel bisher nicht auf.

"Das ist eine der ersten Rollen, für die ich nicht nach Aussehen besetzt worden bin. Davor habe ich fast immer das schöne blonde Mädchen von nebenan gespielt", sagt Stutzenstein. Irgendwann dachte sie sich: Ich kann doch mehr.

Stutzenstein ist in einem Ort mitten im Nationalpark Eifel bei Aachen aufgewachsen. Eineinhalb Stunden fuhr sie früher täglich mit dem Schulbus. Schauspielerin wollte sie schon immer werden, sie ging an die Theaterakademie, spielte auf Bühnen, in deutschen Serien und Soaps. In ihrem ersten Kinofilm Der Fall Collini stand sie mit Elyas M'Barek vor der Kamera. Ihre Lieblingsrolle: Andromache aus der griechischen Mythologie.

"Wenn dir warm wird, kannst du auch die Lüftung einschalten." Wer mit Stutzenstein durch Köln fährt, erlebt eine unprätentiöse und nahbare Schauspielerin, die sofort das "Du" anbietet und vorm Einsteigen noch schnell ihr Skateboard aus dem Fußraum des Beifahrersitzes räumt. Damit bewegt sie sich sonst am liebsten durch die Stadt. Der Wagen wurde ihr coronabedingt von der Produktionsfirma gestellt; ein eigenes Auto hatte sie bisher nicht.

An die bisher wichtigste Rolle ihrer Karriere ist Stutzenstein eher zufällig gekommen. Gerade von Köln nach Berlin gezogen, nahm sie im vergangenen Frühjahr am Casting teil, ohne zu wissen, um welche Rolle es ging. Nach zwei Vorsprechen musste sie zum Stunt-Casting. "Wir waren in einer Halle mit riesigen Matten, und die sagten zu mir: So, jetzt mach mal was. Mach mal einen Purzelbaum." Bei der Erinnerung muss sie lachen. "Dann fragten sie: Kannst du noch was?" Ihr fiel ein, dass sie in der Schauspielschule eine Kampftechnik gelernt hatte, "die einfach ist, aber sensationell aussieht. Und ich glaube, das war der Punkt, an dem die dachten: Cool, die hat was drauf". Im Anschluss musste Stutzenstein driften, heißt, ein Auto bei voller Fahrt übersteuern und dadurch um 180 Grad drehen.

Seit vergangenem Herbst bestehen die Tage vor allem aus Dreharbeiten, sie ist extra nach Köln zurückgezogen. Wann immer möglich und erlaubt, macht sie ihre Stuntszenen selbst - trotz Höhenangst. "Manchmal gehe ich um 6 Uhr aus dem Haus und komme um 21 Uhr mit blauen Flecken wieder. Und danach muss ich noch meinen Text lernen." Stutzenstein kann sich gerade trotzdem nichts Besseres vorstellen, als die junge Polizistin Vicky Reisinger zu spielen, der an ihrer alten Dienststelle Rassismus und Racial Profiling nachgesagt wurden. Keine "geleckte Rolle", wie sie sagt, sondern jemand, der auch Probleme hat. "Zu zeigen, wie man da rauskommt, finde ich interessant." Auch das ist neu in der 26. Staffel: Die persönlichen Geschichten der beiden Hauptdarsteller werden horizontal weitererzählt, die Fälle sind gespickt mit aktuellen Themen, von Sexismus bis Rechtsextremismus.

Am Set von Alarm für Cobra 11 arbeitet sie nun vor allem mit Männern, die ihre Frauenrolle schreiben und inszenieren sollen. Klar, dass es da Diskussionen gibt. Stutzenstein versucht immer wieder, sich bei der Entwicklung ihrer Rolle einzubringen. "Damit es zum Beispiel nicht immer nur kumpelmäßig zugeht, sondern man sich auch mal umarmt." Bei Kleinigkeiten: dass ihre Figur Handcreme dabeihat - wie sie selbst eben auch. Und bei großen Dingen: dass sie sich als Polizistin beim Thema Vergewaltigung etwa besser einfühlen kann. Als Stutzenstein im Belgischen Viertel rechts ranfährt, sagt sie noch: "Pass beim Aussteigen mit dem Radweg auf!"

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