Freunde des Genres Kostümfilm müssen sich irgendwann entscheiden: Wollen sie Nostalgie oder Realismus, Schwelgerei oder Schmutz, Jane Austen oder Gangs of New York, Downton Abbey oder Vikings. Denn zum Versinkenwollen in der Geschichte kann einen sowohl die Liebe zu Schlössern und Landschaftsaufnahmen motivieren als auch die Angstlust am mittelalterlichen Sündenpfuhl.
Ausgerechnet Steven Soderbergh hat nun eine historische Fernsehserie gemacht, die ganz klar am schmuddeligen Ende dieser Skala steht. Ausgerechnet er, denn es war ja Soderbergh, der George Clooney, Brad Pitt und Julia Roberts in der Ocean's-Trilogie noch schöner und cooler aussehen ließ als sonst und der in Magic Mike und Behind The Candelabra den schönen Schein in sehr schönen Bildern dekonstruiert hat.
In seiner ersten Fernsehserie, dem Krankenhaus-Drama "The Knick" ist wenig schön. Das fängt schon damit an, dass der erste Patient, den man als Zuschauer zu sehen bekommt, die Hauptfigur selbst ist. John Thackery, hochbegabter Chirurg und ehrgeiziger Forscher, wacht in einer Opiumhöhle auf und spritzt sich in der Kutsche zu seinem Arbeitsplatz erstmal eine Ampulle Kokain zwischen die Zehen. Clive Owen spielt ihn ohne jede Eitelkeit mit verschwitztem Gesicht und "angry hair", wie die Fernsehkritikerin des New Yorker schrieb. Dazu wummert elektronische, sehr heutige Musik so nervös vor sich hin wie das Herz eines Bluthochdruckpatienten.
Die Operation als Show
Wenn John Thackery kurz darauf erfrischt vom morgendlichen Kokscocktail im OP-Saal steht, sieht er aus wie ein Torero in der Arena. Herausfordernd guckt er ins Rund der Studenten, denn eine Operation ist im Knick meistens auch das: eine Show. Das Krankenhaus will das beste sein, ein Ort von Lehre und Forschung und das geht nicht ohne Publikum. Dass die junge, hochschwangere Frau auf dem OP-Tisch ängstlich flüstert, man möge ihr Kind retten, ist den kühlen Chirurgen da eigentlich egal.
Der Kaiserschnitt, der dann folgt, macht gleich klar, woran man mit The Knick ist: Nämlich näher am Splatterfilm als an noch einer romantisch verklärten Arztserie. Und ganz klar: nicht am Vorabend. Dass das ZDF die Serie um 22.30 Uhr zeigt, ist durchaus gerechtfertigt. Dass es sie im Spartenprogramm versteckt hingegen überhaupt nicht.
Zartbesaitete sollten sich in der Kaiserschnitt-Szene nach dem Stichwort "Schambein" lieber die Augen zuhalten. Auch deshalb, weil auf das quellende dunkle Blut und die blassen Innereien keine tröstlichen Erfolgs-Geigen folgen. Am Ende der Szene sind Mutter und Kind tot. Keine Musik, kein Pathos. So ist es, wenn die Medizin noch primitiv, das Wissen über den menschlichen Körper erschreckend unvollständig ist.