Krise in der ARD:Katrin Vernau wird Interimsintendantin beim RBB

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Protest bei der Ankunft von Katrin Vernau (Mitte) am Wahltag. (Foto: Christophe Gateau/dpa)

Die 49-Jährige war bisher oberste Verwaltungsfrau im WDR. Jetzt soll sie den RBB nach dem Schlesinger-Skandal aus der Krise führen.

Von Claudia Tieschky

Die Frau, die beim RBB als Interimsintendantin aufräumen soll, heißt Katrin Vernau, ist 49 Jahre alt. Der Rundfunkrat des RBB wählte sie am Mittwoch, allerdings erst im zweiten Wahlgang, mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit der Anwesenden. Sie bekam laut RBB 16 von 20 Stimmen. Als bisherige WDR-Verwaltungsdirektorin kennt sich Vernau mit Finanzen aus und seit den vergangenen Tagen vielleicht schon ein wenig, was ja nicht schaden kann, mit den Befindlichkeiten des gebeutelten Senders für Berlin und Brandenburg.

Dort ist man heftig für einen Neuanfang im RBB, aber auch schwer gespalten. Und so legte sich die Findungskommission am Sonntag einhellig auf Vernau als einzige Kandidatin fest; das führte umgehend zu öffentlicher Kritik der freien RBB-Mitarbeiter und des Redaktionsausschusses, obwohl die Sprecherin der Freien der Findungskommission angehört. Gemessen an den Katastrophen der letzten Zeit schockte die Aufregung um die "selbstgewählte Alternativlosigkeit" (Statement Freienvertretung) aber offenbar nur mittel, jedenfalls zog die Findungskommission das Ding durch, die Zeit drängte.

Apropos Zeit: Weil es seltsame Zufälle gibt, meldete sich Ex-Intendantin Patricia Schlesinger wenige Stunden vor der Wahl in der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit zu Wort und wiederholte selbstsicher und geschmeidig in etwa das, was sie bereits dem Rundfunkrat gesagt hatte, bevor der sie am 15. August absetzte: Dass sie die Wut der Mitarbeiter über ihre Modernisierungspläne unterschätzt habe, sich aber nichts habe zu Schulden kommen lassen - nicht bei Abendessen in ihrer Wohnung, die vom Sender bezahlt wurden, nicht im Umgang mit dem ebenfalls zurückgetretenen Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf, der auch Aufsichtsratschef der Messe Berlin war und Schlesingers Mann dort als Berater ins Gespräch brachte. Auf der Straße werde sie jetzt von Frauen ermutigt: "Halten Sie das bitte durch." Aber sie mache sich heute Gedanken über Privilegien, die sie sich früher nicht gemacht habe, sagt Schlesinger. Ob die noch zeitgemäß seien.

Vernaus erste Aufgabe könnte der Beweis sein, dass sie nicht als Buhrows Gesandte kommt

Beim RBB jedenfalls, dem Epizentrum einer inzwischen ARD-weiten Krise, wird Vernau also für maximal ein Jahr Interimsintendantin in dem Sender sein, der seit der Affäre um Schlesinger auf Selbstsuche ist. Mehr oder weniger arbeitet der RBB in Selbstverwaltung - mittlerweile hatte der Stellvertreter des stellvertretenden Intendanten das Sagen. Am Dienstag hatte sich Vernau bereits in einer Schaltkonferenz den Rundfunkratsmitgliedern vorgestellt. Für die Ausnahmewahl verzichtete man nach Rücksprache mit der Rechtsaufsicht, dem Land Brandenburg, auf eine Ausschreibung.

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Die Personalie ist doppelt interessant. Einerseits bringt die promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin, die 2011 als Parteilose im Team des baden-württembergischen SPD-Spitzenkandidaten Nils Schmid antrat, Qualifikationen zur Sendersanierung mit: Als frühere Kanzlerin der Universitäten Ulm und Hamburg hat sie Erfahrung mit selbstverwalteten Organisationen; als frühere Partnerin der Unternehmensberatung Roland Berger traut man ihr offenbar den kühlen Blick von außen auf die vielen Fragwürdigkeiten im RBB zu. Andererseits aber ist sie genau das nicht: von außen. Vielmehr kommt sie vom WDR und war seit 2015 die rechte Hand des dortigen Intendanten Tom Buhrow, der im RBB gewisse Gefühle auslöst. Buhrow hatte als ARD-Vorsitzender der RBB-Geschäftsleitung unter Schlesingers Stellvertreter Hagen Brandstäter das Vertrauen entzogen. Das beschleunigte im Endeffekt zwar die Neuaufstellung, kam aber im Sender trotzdem als Affront an. Inzwischen hat das RBB-Rechercheteam am Dienstag berichtet, dass Buhrow anders als von ihm beteuert, schon seit 2018 von dem umstrittenen und inzwischen abgeschafften Bonussystem im RBB gewusst habe; der bestreitet das.

Vernaus erste Aufgabe könnte also der Beweis sein, dass sie nicht als Buhrows Gesandte in den RBB kommt. In der ARD wird sie als eine beschrieben, die konfliktfreudig, aber mit offenem Visier an Dinge herangeht. Manchmal erinnern die Zuschreibungen frappierenderweise an das, was an Patricia Schlesinger bei ihrer ersten Kandidatur als RBB-Chefin gelobt wurde. Vernau sei als Seiteneinsteigerin schnell zu einer kundigen Kämpferin für einen handlungsfähigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk geworden, heißt es. Mit dem Job im RBB bringt sie sich selbstverständlich für künftige Intendantenposten ins Gespräch. Erwartet wird, dass sie schnell die Zahlenkontrolle übernimmt in dem Haus, in dem ein Bauprojekt auf Eis liegt, bei dem die Kosten von 60 Millionen auf geschätzt inzwischen 188 Millionen stiegen; die Arbeitsverträge leitender Angestellter sind inzwischen ein Fall für den Rechnungshof Berlin. Die Vorgänge unter Schlesinger prüft eine externe Kanzlei im Auftrag der Sender-Compliance.

Für die einen ist die Wahl Vernaus unter diesen Umständen ein Glücksfall, die anderen sehen ihre Erwartungen enttäuscht. So ist der Sender auch gerade: zweigeteilt in Menschen, die einen Aufräumer sehen wollen, und andere, die aus der Krise an der Spitze die Lehre ziehen, dass es basisdemokratisch zugehen müsse, wenn sich oben etwas ändern soll. Die Einschätzung, Vernau komme in ein sehr emotionales Umfeld, ist eine sehr zurückhaltende Beschreibung der Verhältnisse. Vernau könne jetzt nicht nur Wirtschaftspläne machen, sondern müsse den Leuten zuhören, sagen manche, und es klingt die Frage mit, ob die durchsetzungsfähige Macherin dieses Register spielen kann. Anders als Schlesinger hat Vernau nicht die Möglichkeit, die Wut der Leute zu unterschätzen.

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