Dass Wolfram Winter eine schöne Leiche abgibt, durfte er vor acht Jahren in der Vorabendserie Hubert und Staller unter Beweis stellen. Den Serientod erlitt der damalige Kommunikationschef des Bezahlsenders Sky in einem bayerischen Schweinestall, niedergestreckt durch eine Kugel aus einem Bolzenschussgerät, das üblicherweise für Kühe verwendet wird.
Quicklebendig taucht Wolfram Winter nun erneut bei der ARD auf. Und zwar als Kommunikationsexperte, zusammen mit Andreas Fünfgeld berät er den WDR-Intendanten Tom Buhrow seit Jahresbeginn während dessen zweijähriger Amtszeit als Vorsitzender des ARD-Senderverbunds.
Es gilt, anstehende Themen nach innen und außen möglichst unfallfrei zu kommunizieren. Ein heikler Job. Nicht nur, weil in der ARD weitere Sparmaßnahmen anstehen. Auch der Eklat um ein satirisches Oma-Lied in einer WDR-Sendung am Jahresende, für das sich Buhrow nach öffentlicher Entrüstung entschuldigte, bescherte dem Intendanten einen holprigen Start.
Einer ist der Sohn eines früheren Intendanten, der andere war Honorarkonsul Namibias
Sein neues Krisenkommunikationsduo könnte für den Intendanten nun sowohl Netz, als auch Fallstrick sein. Denn vor dem Hintergrund, dass bereits ein üppiges Kommunikationsteam von 15 Mitarbeitern bereitsteht, drängt sich die Frage nach der Notwendigkeit auf. Das Honorar für die Leistungen von Winter und Fünfgeld beträgt laut Ausschreibung 580 000 Euro für die gesamte Vertragsdauer. Fix sind zwei Jahre, mit Option auf Verlängerung um ein weiteres Jahr. Über diesen Zeitraum sind die zwei hauptberuflichen Schadensbegrenzer nicht nur für Buhrow Ansprechpartner, sondern für das gesamte Kommunikationsteam. Beim Treffen mit den beiden in Winters Büro, einem umgebauten Kutschenhaus in Hinterhof im Münchner Stadtteil Schwabing, wirken die zwei smart, eloquent, schnell, manchmal mit einem Hauch von Selbstherrlichkeit. Von allen Bewerbern um den Spezialetat, der europaweit ausgeschrieben worden ist, blieben am Ende drei übrig. Den Pitch, dem ein monatelanges Auswahlverfahren vorausging, hat Andreas Fünfgeld, 54, mit seiner Agentur Media 5 gewonnen. Die ARD gab einige Bedingungen vor. "Es muss unter anderem gewährleistet sein, dass der Agenturinhaber den Kunden ARD selbst betreut und nicht intern an Mitarbeiter abgibt", sagt er. Da die ARD für den Rund-um-die-Uhr-Service zwei Ansprechpartner wollte, holte er Wolfram Winter ins Team.
"Umweltsau"-Video:WDR-Redakteure werfen Buhrow mangelnde Rückendeckung vor
In einer internen Mail kritisieren die Mitarbeiter ihren Intendanten für eine "eklatante Verletzung der inneren Rundfunkfreiheit". Buhrow wehrt sich in einem Interview gegen Angriffe.
Dass für die beiden Externen aus München in Köln kaum jemand Spalier steht, wird schnell klar, wenn man sich in der ARD umhört. Dort fallen Sätze wie: "Wir brauchen hier keine Unternehmensberater" und: Wie passe das Budget überhaupt zur angemahnten Kostendisziplin?
Die Notwendigkeit ergibt sich laut Fünfgeld und Winter aus allerhand heiklen Punkten derzeit auf der ARD-Agenda. Tom Buhrow will von den rund 50-Gemeinschaftseinrichtungen des Verbunds einige in den östlichen Teil Deutschlands umsiedeln und hat Einschnitte angekündigt. Gleichzeitig geht es um die weitere Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Sender, verbunden mit der existenziellen Frage, ob man die überhaupt noch braucht.
Die Männer, die nun dafür im Einsatz sind, kennen sich seit den Neunzigern aus ihrer Zeit als Unternehmenssprecher. Winter war damals beim Sportsender DSF, Fünfgeld bei RTL 2. Seither seien sie beruflich-freundschaftlich verbandelt, sagen sie. "Wir verfügen über einen ähnlichen Wertekodex", so Fünfgeld. Zusammen haben sie Buhrow bereits in der "Me Too"-Affäre des WDR 2018 beraten.
Fünfgeld kennt den ARD-Frontmann seit dessen Zeit als "Mr. Tagesthemen". Damals holte Buhrow Fünfgeld als Berater. Das öffentlich-rechtliche System und die Befindlichkeiten dort kennt Fünfgeld von Kindesbeinen an: Sein Vater Hermann Fünfgeld war bis zur Pensionierung 1998 Intendant des Süddeutschen Rundfunks.
Ihm wird ein Gespür für Diven und Delikates nachgesagt - früher arbeitete er für Schauspielerinnen wie Maria Furtwängler und Veronica Ferres.
Fünfgelds Kollege Winter, 56, gilt nicht nur als Profi in Krisen-PR, auch in der Eigen-PR wird ihm eine gewisse Exzellenz nachgesagt. Im Nebenjob war er sieben Jahre Honorarkonsul von Namibia im Freistaat Bayern. Der Politologe und Journalist ist ein umtriebiger Netzwerker. Für die einen ist er der Mann mit dem Winning-Touch, für die anderen ein Selbstdarsteller mit überdimensioniertem Sendungsbewusstsein. Menschen, die er eigentlich kennt, übersieht er gerne mal, das sagt er selbst. Deshalb prangt an seinem PC ein gelber Post-It. "Grüßen!" steht darauf.
Fünfgeld weiß genau um Winters Hang zum Monologisieren und überlässt ihm meist das Wort. Dann erzählt Winter schon auch mal von beruflichen Tiefschlägen. Etwa dem bei der Münchner Agentur Heller & Partner, bei der er 2018 als Vorstand einstieg. Kein halbes Jahr hielt er sich auf dem Posten, dann konzentrierte er sich wieder auf seine Lehrtätigkeit an der Hochschule Macromedia. Für die Professur hielt er eine Vorlesung mit dem Thema: "Die Weiterentwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks". Dann erzählt Winter, wie sein alter Arbeitgeber Sky jahrelang tiefrote Zahlen schrieb, wie tief die Motivation der Belegschaft sank. Bis Brian Sullivan 2010 als neuer Geschäftsführer das Steuer herumriss. Mit ihm als Krisenkommunikator an der Seite. Wie die zwei damals die Mitarbeiter auf ihre Seite brachten?
Indem sie früh über anstehende Schritte informierten, sagt Winter. "Die interne Kommunikation ist leider noch immer die am meisten unterschätzte Managementdisziplin." Die ARD will man auf "reformwillig und reformfähig" trimmen. Aber: "Kein Mensch hat Lust auf disruptive Veränderungen", sagt Winter. Das zu vermitteln wird schwer, das System ruht auf einer festbetonierten Binnenstruktur, an der sich auch Buhrow schon fast die Zähne ausgebissen hätte. Die Proteste etwa, die er durch die Berufung von Privatradio-Managerin Valerie Weber zur WDR-Hörfunkdirektorin ausgelöst hat, waren beispiellos.
Was die Schauspielerei anging, war Winter erfolgreicher, als ihm lieb war. Man habe ihm zwei weitere Drehtage angetragen, erzählt er. Als Wasserleiche. Im Starnberger See. Er lehnte ab - zu nass, zu kalt.