Auch in diesem Jahr wurden die Pulitzer-Preise wieder in einem denkbar pragmatischen Rahmen vergeben. Die beiden Vorsitzenden des Pulitzer-Boards sprachen ein paar prägnante, blechern klingende Worte in ihre Zoom-Kameras, und schon begann die Aufzählung der einzelnen Kategorien. 20 Minuten, länger dauerte das YouTube-Video nicht.
Alles andere, so insinuierte Mindy Marqués, wäre heutzutage auch Zeitverschwendung. Schließlich haben Nominierte und Jurymitglieder ja Wichtigeres zu tun. Die Covid-Pandemie, die Black-Lives-Matter-Proteste und die Präsidentschaftswahlen samt des Sturms auf das Kapitol hätten die Journalisten im zurückliegenden Jahr an ihre Grenzen gebracht wie selten. Zwar sei die Bedeutung der Presse für die Demokratie nie offensichtlicher gewesen, doch die Herausforderungen für Reporter waren auch nie größer: Immer mehr Menschen drifteten in die Parallelwelten der sozialen Medien ab und verschlössen sich ernsthafter Berichterstattung. Gleichzeitig habe die Aggression gegen Reporter ein noch vor Kurzem undenkbares Niveau erreicht, angefeuert durch eine Regierung, die die Medien zum "Feind des Volks" erklärt habe. Gezeigt wurden dazu Trump-Fans, die Journalisten bedrohten. Viele Kollegen hätten sich für ihre Arbeit in Lebensgefahr gebracht.
Die prämierten Reportagen, Kommentare, Fotos zeugten denn auch von einem Amerika, das für alles jenseits dieser drei Themen kaum ein Ohr hatte. Eine der wenigen Ausnahmen: eine Buzzfeed-Serie über die chinesischen Uiguren-Lager. Die meisten Preise gingen an Berichte zu Black Lives Matter, angefangen mit einem Sonderpreis für Darnella Frazier, der damals 17-Jährigen, die die Ermordung von George Floyd mit ihrem Handy filmte. Die Preise zeigen gut, welche Wellen dieses Ereignis auslöste: Die Tampa Bay Times etwa bekam einen Pulitzer für ihre Recherche über einen Sheriff, der ein geheimes System aufbaute, das Verbrechen voraussagen sollte - samt der diskriminierenden Konsequenzen.
Ein Team von Reuters wiederum wurde für seine Untersuchung eines obskuren Gesetzes ausgezeichnet, das gewalttätige Polizisten vor Verfolgung schützt. Eine Gruppe von Reportern unter anderem des Marshall Projekt und des Invisible Institute bekam einen Preis für ihre Arbeit zu Verletzungen durch Polizeihunde. Rechercheverbünde, oft auch unter Beteiligung von Non-Profit-Organisationen machen den großen Zeitungen, Magazinen und Agenturen ihr einstiges Monopol auf die Pulitzer-Preise immer mehr streitig. Die FinCEN Files, ein Projekt, an dem das International Consortium of Investigative Journalists, Buzzfeed und viele internationale Medien, darunter auch die SZ, beteiligt waren, war für den Preis für International Reporting nominiert.
Weit weniger Preise gingen an Arbeiten, die sich mit der Pandemie beschäftigten, darunter der wichtige Preis für "Public Service", den die New York Times für ihre Corona-Berichterstattung erhielt. Ex-Präsident Trump spielte bei den prämierten Arbeiten keine Rolle mehr.
Die Preise für Belletristik, Lyrik, Sachbuch, Historie, Theater und Musik haben bei den Pulitzers eher Fußnotencharakter. Ausgezeichnet wurde hier neben anderen die Schriftstellerin Louise Erdrich für ihren Roman "The Night Watchman". Den Musik-Preis erhielt Tania Léon für ihre Komposition "Stride", die europäische Orchestermusik mit afroamerikanischen und karibischen Traditionen verbindet.