Presseschau zur Wahl in Großbritannien:Corbyn stürmt - und May hängt in den Seilen

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Jeremy Corbyn kommt am Morgen nach der Wahl im Hauptquartier seiner Labour Partei an. (Foto: Getty Images)

Nach der Wahl ist die britische Presselandschaft gespalten. Während die einen den Überraschungsgewinner feiern, rufen die anderen schon wieder nach Neuwahlen.

"Theresa hängt in den Seilen". So titelt die britische Tageszeitung Daily Mail am Morgen nach der Wahl in Großbritannien. Und macht keinen Hehl daraus, wo ihre Sympathien wirklich liegen. "Schockierende Ergebnisse" seien das, die darauf hindeuteten, dass Premierministerin May die absolute Mehrheit im Parlament verlieren wird. Der Aufstieg Corbyns würde Großbritannien auf "Messers Schneide" zurücklassen. Es drohe ein "Brexit-Chaos".

Das ebenfalls konservativ ausgerichtete Boulevardblatt The Sun fürchtet sich nun vor einer instabilen Minderheitsregierung. In ihrem Leitartikel wünscht sich die Zeitung "aufrichtig, dass die Konservativen als stärkste Partei irgendwie eine funktionierende Regierung bilden können - lange genug, um erneut Neuwahlen auszurufen". "Theresa Dismay" steht an diesem Morgen in großen weißen Lettern auf der Titelseite der Sun. Ein Wortspiel mit dem Namen der Premierministerin, das übersetzt so viel bedeutet wie: Theresa Entsetzen. Entsetzen darüber, dass die Taktik der Tories, durch eine Neuwahl ihre Position im Parlament zu verbessern, nicht aufgegangen ist. Weshalb viele Zeitungen an diesem Morgen auch von einer "Fehlzündung" schreiben. Theresa May habe ein riskantes Spiel gespielt - und verloren.

The Daily Telegraph geht noch weiter: "Schock für May", schreibt die Tageszeitung, "Theresa Mays Wahl-Wagnis könnte letzte Nacht nach hinten losgegangen sein. Dieses Ergebnis ziehe, heißt es weiter, sowohl Frau May als Premierministerin als auch den Brexit in Zweifel."

Auch die Daily Mail beschäftigt sich in ihrer Ausgabe mit der Zukunft Mays, verweist aber darauf, dass sie immer wieder betont hat, nicht zurückzutreten. Obschon - so wird ein unbenannter Minister zitiert - diese Tory-Kampagne die "schlimmste seit Menschengedenken" gewesen sei.

Auch der Guardian schreibt von einem Schockergebnis, das Premierministerin May unvorbereitet getroffen habe, nachdem ihr Herausforderer Jeremy Corbyn von der Labour-Partei im Wahlkampf auf mehr als 100 Veranstaltungen seine Unterstützer begeistert hatte.

Weshalb die linke Boulevard-Zeitung Daily Mirror gleich von einer "Wahlsensation" spricht und den großen Gewinner des Abends mit ausgestrecktem Daumen und der Zeile "Cor Blimey!" feiert. Ein sehr britischer und sehr umgangssprachlicher Ausruf, der große Überraschung signalisiert - und gleichzeitig ein Wortspiel mit dem Namen des Labour-Chefs ist. Zu freudigen Wortspielen und Gewinnerposen lässt sich auch die kostenlose Pendler-Zeitung Metro hinreißen: "Stormin' Corbyn" steht da auf der Titelseite. Und das trifft diese Wahlnacht ja dann doch ziemlich genau. Corbyn stürmt. Und May hängt in den Seilen.

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