Pressefreiheit in Österreich:"Das muss uns eine Warnung sein"

Lesezeit: 2 min

"Diese Tendenz muss nicht nur gestoppt, sie muss umgekehrt werden", mahnt Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen. (Foto: Herbert Neubauer/picture alliance/dpa/APA)

Österreich stürzt im Pressefreiheitsindex um 14 Plätze ab. Wie Bundespräsident Alexander Van der Bellen das begründet.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Es kommt eher selten vor, dass der österreichische Bundespräsident rasch reagiert, wenn es um eine aktuelle Meldung geht. Diesmal meldete sich Alexander Van der Bellen prompt zu Wort. "Das muss uns eine Warnung sein", kommentierte das Staatsoberhaupt den Absturz von Österreich im Pressefreiheitsindex vom 17 Platz im Vorjahr auf Rang 31. Kein anderes europäische Land schmierte binnen eines Jahres in dem Ranking, das Reporter ohne Grenzen zum 20. Mal aus Anlass des Tages der Pressefreiheit präsentierte, so massiv ab. Laut Reporter ohne Grenzen Österreich lassen sich durch die Änderung von Kriterien Verschiebungen um ein bis zwei Plätze erklären, nicht aber um 14.

Österreich entfernt sich damit immer weiter von der Gruppe der Staaten mit völlig freier Presse. Nach der 2019 aufgeflogenen "Ibiza-Affäre", bei der Einflussnahmen von Politikern auf Medien öffentlich geworden sind, rutschte das Land bereits deutlich ab. "Diese Tendenz muss nicht nur gestoppt, sie muss umgekehrt werden", forderte der Bundespräsident.

Auch Deutschland, mit dem sich Österreich so gerne vergleicht, verschlechterte sich im Ranking der 180 Länder um drei Positionen auf Rang 16. Als Grund wurde vor allem die zunehmende Gewalt gegen Journalisten bei Demonstrationen etwa von Gegnern der Corona-Maßnahmen genannt. Auch in Österreich werden Reporter immer häufiger angegriffen, allerdings gebe es hier bei den Behörden "kein großes Problembewusstsein", konstatiert Erhard Stackl, Vizepräsident der Journalistenorganisation in Österreich. Österreich sei auch das einzige EU-Land, das noch immer nicht über ein Informationsfreiheitsgesetz verfüge. In Österreich berufen sich Behörden regelmäßig auf das Amtsgeheimnis, wenn sie auf unliebsame Anfragen von Journalisten nicht antworten wollen.

Auch die sogenannte "Inseratenaffäre" schlug sich im Ranking nieder. Über Chats eines Vertrauten des früheren Bundeskanzlers Sebastian Kurz war bekannt geworden, dass mit staatlich finanzierten und manipulierten Umfragen sowie Anzeigen Einfluss auf Berichterstattung genommen werden sollte. Umfragen wurden zugunsten des damals aufstrebenden Politikers Kurz manipuliert und an das Boulevardmedium Österreich weitergereicht, das dafür Inserate bekam. "Wer zahlt schafft an" - dieser Satz fand sich wortwörtlich in einer der Nachrichten des Kurz-Vertrauten. "Das Thema Inserate ist ein bekanntes Problem. Aber es hat einen negativen Höherpunkt erreicht, das gibt es in keinem westeuropäischen Land", sagt der langjährige Journalist Erhard Stackl.

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Für die Presseförderung wurden im Vorjahr rund neun Millionen Euro etwa zur Vertriebsförderung ausgegeben - die Verteilung erfolgt anhand von Kriterien. Zugleich geben staatliche Stellen aber mehr als 220 Millionen Euro pro Jahr für Anzeigen aus, die nach Gutdünken vergeben werden. Laut einer Analyse des Medienhauses Wien entfällt auf die drei Boulevardmedien Österreich, Kronen Zeitung und Heute mehr als die Hälfte dieser Ausgaben. Eine Erhöhung der Mittel der offiziellen Presseförderung gehört seit Jahren zu den Forderungen aller Journalistenorganisationen, die nun durch den Appell des Bundespräsidenten mehr Nachdruck verliehen bekam.

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