Der Mitarbeiter des Krankenhauses Malaxa in der rumänischen Hauptstadt Bukarest überlegte nicht lange, als er Informationen über unsaubere Geschäfte in der Klinik an einen Journalisten weitergeben wollte. Der Informant schrieb Catalin Tolontan, dem Chefredakteur der Fußballzeitung Gazeta Sporturilor. Das Ergebnis der folgenden Recherche: Florin Secureanu, Geschäftsführer des staatlichen Krankenhauses, hatte sich nach Kräften aus der Kasse bedient - so unverfroren, dass selbst Tolontan und seine beim Thema Korruption bereits abgehärteten Kollegen beeindruckt waren. Zum Beispiel schenkte der Geschäftsführer seiner Freundin Juwelen - und ließ die Rechnung vom Juweliergeschäft über "Desinfektion von medizinischen Instrumenten" ausstellen und vom Krankenhaus bezahlen.
Von Ende November 2016 an veröffentlichte die Gazeta Sporturilor ihre Rechercheergebnisse. "Wir hatten reichlich Material", sagt Tolontan, "in vier Tagen brachten wir 15 Artikel zu diesem Thema". Kurz darauf wurde Secureanu von der rumänischen Anti-Korruptionsbehörde DNA verhaftet - jetzt wartet der geständige Ex-Geschäftsführer auf seinen Prozess.
Dass sich ein Krankenhausmitarbeiter in Rumänien mit brisanten Informationen ausgerechnet an einen Fußballjournalisten wendet, liegt sowohl am Profil von Catalin Tolontan wie an Mängeln anderer Medien. Seine erste investigative Recherche veröffentlichte Tolontan, der seit 22 Jahren für die Fußballzeitung arbeitet, vor zwei Jahrzehnten: über Doping und Betrug bei Sportwetten. 2008 deckte Tolontan einen noch größeren Skandal über millionenschweren Betrug auf dem internationalen Fußballtransfermarkt auf. 2014 wurden acht Größen des rumänischen Fußballs zu Gefängnisstrafen verurteilt, auch Gica Popescu, Ex-Kapitän des FC Barcelona.
Die Konkurrenz ist zum großen Teil sehr eng mit Politikern und Parteien verbunden
Zur Recherchefähigkeit Tolontans und seiner Kollegen kommt, dass viele andere Medien in Rumänien kein Geld für oder kein Interesse an investigativen Themen haben. Rumäniens öffentlich-rechtliches Fernsehen ist seit Jahren unterfinanziert. "Zudem wird bei jedem Regierungswechsel die Führung ausgetauscht", sagt Razvan Martin, Medienspezialist bei der Bürgergruppe Active Watch. Beim Publikum beliebte Privatsender legen den Schwerpunkt auf Spielfilme oder Talkshows, kritische Berichte und investigative Recherchen fehlen. Das liegt nicht unbedingt an kommerziellen Zwängen. "Fast alle Eigentümer privater Fernsehsender sind mit Parteien oder Politikern verbunden", sagt Martin. Eine Erkenntnis, die ähnlich auch in anderen Balkanländern wie Bulgarien, Serbien oder Mazedonien gilt. Tolotans Fußballzeitung ist eines der wenigen Medien, das investigativen Journalismus tatsächlich an den Leser bringt.
Die Fernsehsender Antena 1 und Antena 3 etwa, bis heute Sprachrohr der regierenden postkommunistischen Partei PSD, gehörten lange zum Medienimperium des ehemaligen Ex-Securitate-Spitzels Dan Voicolescu- 2014 und 2016 wegen Betrugs und Erpressung zu insgesamt zwölf Jahren Gefängnis verurteilt. Der Fernsehsender Romania TV wurde von Sebastian Ghita aufgebaut, lange PSD-Führungsmitglied und angeblich Rumäniens reichster Parlamentarier, bis Ermittler ihn 2016 wegen des Verdachts auf Bestechung, Erpressung oder Geldwäsche anklagten. Vergleichsweise objektiv und kritisch berichtet der erst wenige Jahre alte Fernsehsender Digi 24, der bisher allerdings nur wenige Rumänen erreicht.