Pressefreiheit in Polen:Öl ins Feuer

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In den Fängen von PiS: In Polen müssen zahlreiche Chefredakteure gehen, die Unabhängigkeit der Zeitungsgruppe Polska Press ist bedroht.

Von Florian Hassel

Drei Tage vor der Übernahme durch die neuen Herren wollte Paweł Fąfara seine Leser beruhigen: Auch wenn zum 1. März Polens staatlicher Ölkonzern Orlen die Verlagsgruppe Polska Press mit 20 Regionalzeitungen, 300 Wochentiteln und 500 Internetportalen von der Verlagsgruppe Passau übernehme, werde sich journalistisch nichts ändern. Er, Fąfara, habe immer auf absoluter journalistischer Unabhängigkeit bestanden - und unter den langjährigen Eigentümern aus Passau nie Anlass gehabt, über Versuche von Einflussnahme zu klagen.

Regierungschef Kaczyński feierte die Übernahme als "beste Nachricht der letzten Jahre"

Natürlich, gab Fąfara zu, wecke die Übernahme durch Orlen Ängste: dass es unter dem Staatskonzern mit unabhängigem Journalismus vorbei sei. Orlen wird von Daniel Obajtek geleitet, einem engen Vertrauten von Jarosław Kaczyński, dem Chef der Regierungspartei PiS. Und genau dieser Kaczyński hatte Anfang Dezember 2020 die damals erst geplante Übernahme von Polska Press als "beste Nachricht der letzten Jahre" gefeiert. "Wir müssen eigene Medien haben. Nicht-polnische Medien müssen eine seltene Ausnahme sein. Das ist der einzige Weg zur Verteidigung unserer Freiheit und Souveränität."

Prompt fürchteten Leser und Werbekunden, dass es den Zeitungen und Infoportalen der Polska Press-Gruppe, die insgesamt 17 Millionen Polen erreichen, nun ergehen werde wie zuvor dem öffentlich-rechtlichem Fernsehen TVP und den öffentlich-rechtlichen Radiosendern. Vor allem TVP ist seit 2016 auch in der Analyse des Internationalen Presseinstituts oder der Organisation Reporter ohne Grenzen zum Propagandainstrument der PiS herabgesunken.

Der Chefredakteur war kampfbereit gegen jeden politischen Einfluss, aber er war dann auch schnell weg

Fąfara, vorgesetzter Chefredakteur aller Polska-Press-Journalisten, aber kündigte am 26. Februar an, er werde die Politiker der PiS und der mit ihnen verbundenen Gruppen enttäuschen, die "hoffen, dass es in unseren Titeln keine unbequemen oder kritischen Artikel mehr über sie geben wird". Die Journalisten würden ihre Mission fortführen, "selbst wenn die aus irgendwelchen Gründen nur noch einen Monat oder auch nur noch einen Tag fortdauern kann".

Am Ende dauerte diese wackere Mission genau noch einen Monat und zwei Tage. Am 1. April musste Fąfara gehen. Ersetzt wurde er durch Dorota Kania - eine seit Jahren eng mit der PiS verbundene Journalistin ohne große Managerkompetenz, dafür von zweifelhaftem Ruf: Als Journalistin beim Wochenmagazin Wprost bot sie während der ersten PiS-Regierung (2005 bis 2007) einer Bekannten an, ihren im Gefängnis sitzenden Mann mithilfe ihrer guten Kontakte zu PiS und Generalstaatsanwaltschaft freizubekommen. Die Gegenleistung: umgerechnet rund 67 500 Euro. Aus dem Geschäft wurde nichts, Kania wurde 2015 in erster Instanz zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt, dann aber in der Berufungsverhandlung freigesprochen: Das Geld sei keine Bestechung, sondern eine "Hilfe" gewesen. In den vergangenen Jahren arbeitete Kania bei der PiS-nahen Gazeta Polska und kommentierte häufig auf TVP.

Das Vorgehen ist juristisch umstritten, die Personalentscheidungen sind noch nicht gültig

Kaum war Kania am 1. April neue Chefredakteurin von Polska Press, begann sie, prominente Chefredakteure der ihr unterstellten Regionalzeitungen zu feuern: Als erste traf es Marek Twaróg vom Dziennik Zachodni in Kattowitz, Stanisław Sowa von der Gazeta Codzienna Nowiny in Rzeszów und Jerzy Sułowski von der Gazeta Krakowska in Krakau. Dutzende weitere Journalisten haben offenbar von sich aus gekündigt. "Ich kündige, weil ich an der Zerstörung der Zeitungen durch die Gruppe Obajtek-Kania nicht einmal in bescheidenem Rahmen beteiligt sein will", begründete etwa Kamilla Placko-Wozińska ihren Abgang von Głos Wielkopolski. Die gefeuerten Chefredakteure wurden durch PiS-nahe Journalisten ersetzt.

Das Vorgehen bei Polska Press ist juristisch hoch umstritten. Polens Verbraucherschutzbehörde gab Anfang Februar grünes Licht für die Übernahme durch den staatlichen Ölkonzern, doch Polens Bürgerrechtskommissar Adam Bodnar klagte gegen diesen Bescheid: Er befürchtet Wettbewerbsverzerrung durch Orlen, der zuvor schon den führenden Zeitungsvertrieb Ruch übernahm. Am 8. April ordnete Warschaus Bezirksgericht in einer nicht anfechtbaren Verfügung an, Orlen dürfe bis zur endgültigen Entscheidung über die Klage keinerlei Entscheidungen treffen. Auch das neue Führungspersonal ist bisher nicht legal gültig eingesetzt. Orlen-Chef Obajtek missachtete die Verfügung indes und erklärte, die Gerichtsentscheidung habe "keinerlei Bedeutung".

Nach den personellen Säuberungen dürfte sich auch der Inhalt der Polska Press-Titel bald ändern. Für die PiS sind sie umso wichtiger, als die Partei zwei Jahre vor der nächsten planmäßigen Parlamentswahl in den Umfragen stark abgefallen ist und vor allem in Polens Großstädten wenig Anhänger hat. Noch unabhängige nationale Medien - vor allem die Gazeta Wyborcza oder das führende Wochenmagazin Polityka - werden zunehmend mit Klagen überzogen, wenn sie einen Skandal aufgedeckt haben, in den die PiS oder ihre Verbündeten verwickelt sind.

Polens Journalistenvereinigung zählt seit der Machtübernahme durch die PiS und ihre Verbündeten von 2015 bis heute 187 Klagen gegen Journalisten, darunter bereits 25 Klagen wegen angeblicher Verleumdung - die in Polen mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft werden kann, obwohl das im Widerspruch zu internationalen Standards steht. Journalisten und zunehmend auch Interviewpartner werden daneben noch mit anderen Methoden eingeschüchtert. Die Generalstaatanwaltschaft, geführt von Justizminister-Generalstaatsanwalt Zbigniew Ziobro, erlegte der für rechtsstaatliche Unabhängigkeit kämpfenden Staatsanwältin Katarzyna Kwiatkowska ein Strafgeld von umgerechnet gut 55 000 Euro auf, nachdem sie der Gazeta Wyborcza ein Interview gegeben hatte. Im neuen Pressefreiheitsranking der Reporter ohne Grenzen kommt Polen nur noch auf Platz 64. Unter der liberalkonservativen Vorgängerregierung stand Polen 2015 noch auf Platz 18.

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