Podcast "Krieg im Schatten":Der Balkan beginnt in der BRD

Lesezeit: 2 min

Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: SZ)

Die Jugoslawienkriege der Neunzigerjahre haben sich lange vorher angekündigt. Vor allem in der alten Bundesrepublik ging es von den Siebzigern an hart zur Sache.

Von Stefan Fischer

Die Kriege, die in den Neunzigerjahren zum Zerfall Jugoslawiens geführt haben, sind - wie könnte es anders sein - keineswegs aus dem Nichts hervorgebrochen. Ihre Vorgeschichte reicht bis in die Siebzigerjahre zurück. Und damit ist ohnehin nur die konkrete Vorgeschichte gemeint, Personen die - sofern sie nicht vorher ermordet wurden - in den Jugoslawienkriegen selbst aktiv waren. Es gibt auch Ursachen, die in der Habsburger-Zeit liegen.

Dieser Krieg im Schatten jedoch, wie Danijel Majić, Carla Reitter und Léon Haase ihren sechsteiligen Podcast betiteln, der in den Jahrzehnten vor den eigentlichen Kriegen schwelte, wurde zum nicht geringen Teil in der alten Bundesrepublik ausgefochten. Hier lebte eine große kroatische Exilgemeinde, hier kam es zur Gründung diverser Vereine, die sich auf die eine oder andere Weise der kroatischen Sache annahmen. Hier organisierten sich kroatische Nationalisten und Separatisten, die wiederum von jugoslawischen Geheimdiensten bespitzelt, unterwandert und vor allem: bekämpft wurden.

Die Jugoslawienkriege der Neunziger haben in den Siebzigern in der BRD begonnen

Es gab eine Reihe von Toten, sowohl aufseiten der kroatischen Separatisten als auch unter den jugoslawischen Repräsentanten. Die deutsche Öffentlichkeit nahm davon kaum Notiz, aus Desinteresse und weil der RAF-Terror damals alles Übrige überlagerte. Vor allem aber gab es kaum jemanden, der die Hintergründe erkannte, geschweige denn durchschaute.

Dies ist bis heute extrem schwierig. Krieg im Schatten kreist vor allem um die Ermordung von Nikola Milićević, der 1980 in Frankfurt erschossen worden ist. Weder ist bis heute klar, wer ihn ermordet hat, noch, aus welchen Gründen. Das liegt auch daran, dass gar nicht recht klar ist, welche Rolle Milićević gespielt hat, auf wessen Seite er stand und wie gefährlich - noch lebte der jugoslawische Staatschef Tito - er aus Sicht der Zentralmacht war.

Die komplexe Gemengelage wird auch nicht dadurch zugänglicher, dass Krieg im Schatten ein True-Crime-Podcast ist. Dieses Label funktioniert nach wie vor sehr gut beim Publikum, deshalb bedient es der Hessische Rundfunk. Spannender aber als die Frage, wer genau nun wen hat umbringen lassen, mit der sich Krieg im Schatten sehr intensiv beschäftigt, ist jedoch, welche Konflikte und politischen Gemengelagen da überhaupt - mit zum Teil brutalen Eruptionen - vor sich hin brodelten. Erfreulicherweise tragen die Autoren auch dazu vieles zusammen. Dass einem als Hörer mitunter die Zusammenhänge im Detail zu entgleiten drohen, ist ein Manko, das in Kauf zu nehmen sich jedoch unbedingt lohnt.

Krieg im Schatten - Warum starb Nikola Milićević? , ARD-Audiothek.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusGewalt und Propaganda
:Du kriegst den Horror

Staatsterror mit geschändeten Menschen im Handyvideo: Vom Theater der Grausamkeit, das Terroristen und Despoten vor den Augen der Welt aufführen.

Von Gustav Seibt

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: