"Dittsche" im WDR:Der letzte Volksheld

Dittsche

Olli Dittrich in seiner Herzensrolle Dittsche, zusammen mit Jon Fleming Olsen als Ingo

(Foto: Beba Franziska Lindhorst/WDR)

Die Eppendorfer Grillstation, an der Olli Dittrich den Bademantelphilosoph gibt, hatte wegen Corona geschlossen, der WDR vernachlässigt "Dittsche" schon länger. Was wird aus der Sendung?

Von Holger Gertz

Seit einiger Zeit sind die Fans von Dittsche an ein Leben in der Schwebe gewöhnt, es könnte auch irgendwann vorbei sein mit den Abenteuern in der Eppendorfer Grill-Station. Die letzte Folge der 27. Staffel im Sommer 2018 war ein beispielhafter Moment. Dittsche bekam direkt im Grill Besuch von einem Nachlassverwalter, der ihm eröffnete, dass er von seinem Vater eine Plantage für Schleichkatzen-Kaffee in Indonesien geerbt hat. Würde er das Erbe antreten? Irritationen bei den Fans, die nach der Sendung in ihrem "Dittsche-Forum" im Netz miteinander berieten. "Ich hab' die ganze Zeit Angst bekommen, dass Dittsche nun zu Ende und vorbei ist", schrieb einer.

Dass eine deutsche Fernsehfigur mit einem Fanforum geadelt wird, erzählt schon mal etwas über die Bedeutung dieser seit 2004 von Olli Dittrich verkörperten Persönlichkeit. Dittsche, jener Arbeitslose im gestreiften Bademantel, der mit dem Imbisswirt Ingo (Jon Flemming Olsen) über alles quatscht, was die vergangene Woche so hergegeben hat. Und dabei - ohne Drehbuch, live, der Ü-Wagen immer vor der Tür - die Innenwelt mit der Außenwelt in Beziehung setzt. Als einmal der Hähnchengrill qualmte, erklärte Dittsche, der Rauch stamme vom soeben ausgebrochenen Vulkan Eyjafjallajökull. Er hörte als einziger Mensch der Weltgeschichte heraus, dass Ursula von der Leyen, schnell gesprochen, so klingt wie eine Fleischdelikatesse: Wurstteller von der Leyen. Er entdeckte, dass in Corona-Zeiten statt der Geisterbahn eigentlich eine Geister-Geisterbahn fahren müsste. Einmal saß, die ganze Sendung hindurch, Uwe Seeler schweigend am Tisch hinten. Legende.

In seinen großen Momenten macht Dittsche das Weltgeschehen dadurch halbwegs erträglich, dass er es auseinandernimmt und dann wieder falsch zusammensetzt. Also richtig. Es gab den Grimme-Preis mit Gold, den deutschen Fernsehpreis und andere Fernsehpreise. Wie stand neulich im Tagesspiegel? "Der WDR sollte uns das ganze Jahr mit Dittsche versorgen, die Welt verstehen und glücklicher werden lassen."

Der WDR versorgt die Welt allerdings mit zunehmend weniger Dittsche. Manchem im Sender, hört man, sei die Handlung zu wenig heimatlich nordrhein-westfälisch eingefärbt. 2018 gab es noch zwölf neue Folgen, 2019 neun, für 2020 waren erst mal fünf vereinbart. Drei davon wurden gesendet, Corona warf seine ersten dunklen Schatten, und Dittsche erschien schon Anfang März im Imbiss mit einer selbstgebauten Kaffeefilter-Maske im Gesicht. (Im April stellte Melitta dann tatsächlich Atemmasken her.)

Da war Dittsche wegen Corona allerdings schon nicht mehr auf Sendung - der Imbiss war ja dicht, und damit auch der Drehort. Zum Bedauern der Fans, schließlich hatte sogar die Bild am Sonntag Dittsche als Therapeutikum in Corona-Zeiten angepriesen: "Nie war er so wertvoll wie heute." Und auf der Website Wunschliste.de schrieb ein User: "Man hätte es doch so regeln können, dass sich Ingo und Dittsche alleine treffen."

Hat man aber nicht, und die Frage ist sowieso, was der Programmpunkt Dittsche dem WDR noch bedeutet. Als er 2004 anfing, war das eben keine Frage, der damalige WDR-Fernsehdirektor Ulrich Deppendorf war Fan des vom damaligen WDR-Unterhaltungschef Axel Beyer eingekauften Bademantelträgers. Das ist jetzt aber auch schon wieder lange her. Karin Kuhn, die heutige Unterhaltungschefin beim WDR, mochte Fragen zu Dittsches Zukunft nicht persönlich beantworten, sondern ließ von einer Sprecherin mitteilen, dass Dittsche wieder an den Start gehen wird, "zum genauen Produktionszeitpunkt können wir im Moment noch keine Auskunft geben".

Olli Dittrich selbst weiß auch nichts, man erwischt ihn am Telefon im Auto, "wenn die Verbindung gleich weg ist, liegt es daran, dass ich im Elbtunnel verschwunden bin". Dittsches Schicksal liegt ihm am Herzen, was man auch daran merkt, dass er manchmal solidarisch in Dittsches Stimmklang wechselt. "Wird man mit dieser Krise so wegentsorgt, weggespült? Das treibt mich um: Ob man überhaupt noch mit dem, was vor Corona war, reüssieren darf", sagt Dittrich.

Das Publikum konnte mit Dittsches Corona-Betrachtungen jedenfalls was anfangen, bei Youtube hat eine Folge 615 000 Klicks. "Diese drei Sendungen haben noch mal gezeigt, dass das ein Programm ist, was dem Fernsehen nicht nur in diesen Zeiten besonders gut steht", sagt Dittrich, der ein paar Monate vor Corona, im Herbst 2019, selbst losgezogen war, um herauszufinden, ob Dittsche die Leute noch erreicht. Er kletterte wieder auf die Bühne, Schumiletten dabei, Bier, alles. Es war wie ganz am Anfang, 1991, als der Ur-Dittsche im Quatsch Comedy Club aus den Kulissen hervortrat.

Der letzte Volksheld auf Deutschlandtour, ganz nah beim Volk. Ovationen, ausverkaufte Säle, begeisterte Fans. Wie könnte er auserzählt sein? Da müsste ja die Welt, die er kommentiert, auch auserzählt sein. Dittrich sagt: "Für mich war es wichtig, einmal erfahren zu haben, wie die Leute diesen Dittsche nachhaltig lieben. Wie sehr der einen Stein im Brett hat, bundesweit, bei allen."

Allmählich machen nun die ganzen Läden wieder auf, auch die Eppendorfer Grill-Station. Die berühmte neue Normalität. Wie es mit Dittsche im Fernsehen weitergeht? Olli Dittrich denkt nach, dann sagt er: "Der Kerl darf ja nicht sterben."

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