Podcasts des Monats:Das sind die Podcast-Tipps im Mai

Podcasts des Monats: Der Podcast "In the Dark" gibt sehr authentische Einblicke in ein Amerika, von dem man sonst wenig hört.

Der Podcast "In the Dark" gibt sehr authentische Einblicke in ein Amerika, von dem man sonst wenig hört.

(Foto: SZ)

Der Fall Oury Jalloh, Corona im Hinterland der USA, prekäres Leben: Um sich über Skandale nicht nur zu empören, braucht es guten Journalismus wie in diesen Podcasts.

Aus der SZ-Redaktion

Einfach loslabern mag für viele Podcasts funktionieren. Oft aber braucht es Hartnäckigkeit, um sich über Schlampereien und Skandale nicht nur zu empören, sondern sie konkret benennen und belegen zu können. Um die Dinge nicht einfach so hinzunehmen, wie sie sind.

Oury Jalloh

wdr.de/mediathek/audio

15 Jahre ist es her, dass Oury Jalloh, Asylbewerber aus Sierra Leone, in der Gefängniszelle einer Polizeiwache in Dessau starb. Dass er laut den Beamten seine feuerfeste Matratze selbst angezündet haben soll, obwohl er gefesselt war, ist eine der vielen Ungereimtheiten in diesem Fall, der zu einem großen deutschen Skandal geworden ist. Die Journalistin Margot Overath hat schon vor Jahren mit ihren hartnäckigen Recherchen gezeigt, dass ein Mord in Polizeigewahrsam viel wahrscheinlicher ist. Für ihr aktuelles fünfteiliges Radiofeature hat sie mit einem neuen Zeugen gesprochen und eine Studie aus dem Herbst 2019 einbezogen, laut der Jalloh vor seinem Tod Brüche des Schädels und einer Rippe erlitten hat. Overaths Arbeit zu diesem Fall ist beeindruckend, detailgenau und schmerzhaft zu hören. Ein Podcast, der nicht gemacht ist fürs Joggen nach Feierabend. Vielleicht aber für eine Bahnfahrt durch dieses Land, das einen heute wieder viel zu oft um den Schlaf bringt. Kathleen Hildebrand

In the Dark

apmreports.org/in-the-dark

Viel hört man aus den USA über die Lage in New York und die neuesten, irrlichternden Reaktionen aus Washington. Wie aber trifft das Coronavirus die ärmsten Regionen des amerikanischen Hinterlands, für die sich schon zu normalen Zeiten kaum jemand interessiert? Die dritte Staffel von In the Dark, den das Minnesota Public Radio produziert, berichtet aus dem Mississippi-Delta, wo man auch ohne Corona wegen fehlender Infrastruktur und hoher Armut genug Probleme hätte. In Greenville streitet der demokratische Bürgermeister mit republikanischen Pastoren so heftig um Drive-in-Gottesdienste, dass sich das Justizministerium einschaltet. In den notorisch überfüllten Gefängnissen weiß niemand, wie mit Corona umgegangen werden soll. Immerhin, berichtet ein Häftling, wurde nun zum ersten Mal überhaupt geputzt. Aus Sicherheitsgründen fanden die meisten Interviews am Telefon statt. Etwas Geduld für schlechte Verbindungen und schwere Südstaatenakzente sollte man als Zuhörer deshalb mitbringen. Dann gibt In the Dark sehr authentische Einblicke in ein Amerika, von dem man sonst wenig hört. Nicolas Freund

Zukunft der Arbeit

bayern2.de/nachtstudio

Ist Prekarität der Normalzustand in der Kultur? Wie anspruchsvoll sind wir in unserem beruflichen Alltag? Und schließlich: Müsste Arbeit nicht fair auf alle Schichten verteilt werden? Um diese Fragen geht es in dem Podcast des Nachtstudios von Bayern 2. Dessen Leiter Martin Zeyn und der Philosoph Michael Hirsch machen sich Gedanken über Kulturarbeit, Altersarmut, und wo eigentlich die Linke im gesellschaftlichen Diskurs geblieben ist - und stellen das neoliberale Gesellschaftsmodell gründlich infrage. Der Titel der bislang fünf Episoden umfassenden Reihe mag Zukunft der Arbeit lauten, aber im Grunde geht es um die Zukunft der Gesellschaft, ihre kulturelle, soziale, ökonomische Struktur. Das charmante Konzept: Zeyn und Hirsch selbst sind nicht zu hören. Jede Folge basiert auf einer Mailkorrespondenz der beiden, die Sprecher vortragen. Zwar hat der Diskurs schon 2016 begonnen, nicht alle Verweise sind demnach aktuell - aber die zentralen Fragen, die verhandelt werden, sind es definitiv. Carolin Gasteiger

Der Home-Officer

hoerspiel-und-feature.de

Ein Krimi in fünf kurzen Folgen, schnell und spontan hingeworfen von Hermann Bohlen, der unter den Hörspielautoren wie kein Zweiter Grotesken ganz subtil erzählen kann. Inszeniert von seiner Frau, der Regisseurin Judith Lorentz, die den beiden Polizisten Brennecke und Friess - gespielt von Heiko Pinkowski und Daniel Zillmann - Raum lässt für ihre Egotrips. Ein Fall, der die Corona-Krise nicht braucht, um dennoch vom Eingesperrtsein, von Telefonkonferenzen, vom Ausflippen zu erzählen. Der eigenwillige Brennecke wird suspendiert, weshalb er Friess nicht mehr unter Kontrolle hat - in Filmen ein typischer Plot, wie es zwei Buddies dem ganzen Polizeiapparat allen Widerständen zum Trotz zeigen. Bei Bohlen aber reiten sie sich mit jeder Aktion noch tiefer in den Dreck hinein. Stefan Fischer

Made in Germany

spiegel.de/podcast

Im Oktober soll der Berliner Hauptstadtflughafen endlich eröffnen. Was bei dem Großbauprojekt alles schiefgelaufen ist, kann man kaum fassen. Der Podcaster Christian Alt rekonstruiert die Chronologie der Fehler und Unzulänglichkeiten. Mehr als zwei Jahre Recherche von Alt, seinem Team und dem Spiegel stecken hinter dem sechsteiligen Podcast, der vor allem der Frage nachgeht, wie die Verantwortlichen des Bauskandals damit durchkommen konnten. Alt selbst wirkt fassungslos über die Ereignisse und kann sich empören, ohne dabei hämisch zu wirken. Immer wieder erklärt er sich und seinen Rechercheweg, was eine angenehme Nähe erzeugt. In der Bündelung der Vorfälle erhellend, auch wenn vieles, worüber berichtet wird, bekannt ist. Theresa Rauffmann

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