Neues Magazin:"Bravo Eltern": Schmus' mal wieder

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Wie liebt die Jugend in Zeiten von Internet und Pornos? Auch das ZDF sucht Antworten auf diese Frage. (Foto: ZDF und Gebrüder Beetz)

Magazine und Sender tun sich schwer damit, Jugendliche für sich zu begeistern. Deshalb hat sich die "Bravo" nun neue Verbündete gesucht.

Von Karoline Meta Beisel

Das Wichtigste gleich vorab: In der neuen Zeitschrift mit dem Titel Bravo Eltern - Dr. Sommer ist kein einziger nackter Penis zu sehen. Entblößte Teenager und Handreichungen zu den neuen Funktionen des Körpers in der Pubertät waren neben Stars und Stickern immer ein Markenkern der Jugendzeitschrift. Lange war das auch genug. Es verrät vermutlich mehr über die Umwälzung auf dem deutschen Zeitschriftenmarkt als über die Umwälzungen im Hormonhaushalt des durchschnittlichen Lesers, dass ausgerechnet die Bravo nun eine neue Käuferschicht erschließen will: die Eltern.

Das Bravo- Eltern-Heft ist ein konsequenter Schritt in einer Zeit, in der Magazine und Sender sich schwer damit tun, junge Leser und Zuschauer für sich zu begeistern. Gerade die Bravo, einst in Hunderttausenden Nachttischschubladen versteckt, hat in den vergangenen Jahren schwer gelitten, mehr als viele andere Magazine. Verkaufte der Bauer-Verlag 2002 noch an die 800 000 Hefte pro Woche, waren es zuletzt gerade mal 150 000, und das auch nicht mehr wöchentlich, sondern nur noch alle 14 Tage.

Warum ein Starschnitt, wenn es Instagram gibt?

Als Sparmaßnahme musste 2014 die Chefin des Dr. Sommer-Teams gehen; eine Sozialpädagogin, die vorher 16 Jahre lang all jene Fragen beantwortete, die man den Eltern lieber nicht stellen wollte. Zu den großen Problemen von Bravo gehört, dass Nackt-Selfies aus dem Fotostudio (einst ein Bravo-Klassiker) sich am Kiosk nicht mehr so gut verkaufen, seit die jeder von der Schultoilette aus verschicken kann. Und wozu noch einen Starschnitt, wenn man seinem Lieblings-Promi auch auf Instagram folgen kann? Zuletzt investierte man beim Bauer-Verlag ins Radio.

Das Dr. Sommer-Special ist deshalb ein Heft für Eltern. Das steht nicht nur drauf, das sieht man auch. Um im Jargon zu bleiben: Der Körper hat sich im Vergleich zur Teenie-Ausgabe total krass verändert. Das Titelbild wirkt sehr erwachsen, viel Schrift, sanfte Farben, ein schmusendes Paar um die 20. Am Kiosk soll das offenbar Eltern anlocken, genauer: Mütter. Jedenfalls keine reizaffinen Teenies. Zum Vergleich: Auf der aktuellen Ausgabe der Bravo posieren die Lochis, ein Youtube-Zwillingspaar. Außerdem werden in Knallfarben "Unsere besten Social Media-Hacks" und Apps zum "Günstig Surfen im Urlaub" beworben - letztlich beides Handreichungen, noch weniger Zeit mit der analogen Bravo zu verbringen.

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Schlägt man das Eltern-Heft allerdings auf, sieht man, an wen es trotz des Namens in Wahrheit gerichtet ist: an die Kinder. Alle Texte richten sich von Thema und Ansprache direkt an die Jugendlichen, von "Bleib' cool: Mit der Zeit kriegt man(n) seinen Penis immer besser in den Griff!" über "Überleg dir gut, ob du einen Jungen verführen willst, wenn er gerade ein wichtiges Fußballspiel schaut" bis zu diesem hübschen Tipp: "Check regelmäßig deine Größe, wenn du wissen willst, wie schnell du wächst." Zwischendrin immer wieder Seiten mit einem "Best of" der Fragen an das Dr. Sommer-Team, das es trotz fehlender Chefin natürlich nach wie vor gibt.

Das Kalkül des Verlags scheint ziemlich eindeutig zu sein: Die Eltern sollen den Teenies diese neue Version der Bravo hinlegen - also ausgerechnet diejenigen, vor denen man die Hefte früher versteckt hätte. Aber eben auch genau jene, die noch Gedrucktes kaufen. Anders kann man dieses Experiment kaum verstehen.

Mit 146 Seiten ist das Heft recht umfangreich - wer pubertiert, ist möglicherweise ja dankbar für all diese Antworten. Wobei man sich bei der Fülle der Themen fragt, was noch übrig bleibt für die Nummer zwei, die der Hinweis "01" auf dem Titel suggeriert. "Unser Magazin ist der perfekte Begleiter für den manchmal schwierigen, aber vor allem aufregenden Weg zum Mann und zur Frau", schreibt Chefredakteurin Nadine Nordmann im Editorial.

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Es ist ein ziemlich bezeichnender Zufall, dass nur wenige Tage nach dem Start der Eltern-Bravo ausgerechnet das ZDF etwas Ähnliches versucht. In Mainz hat man ja bekanntlich auch ein paar Probleme mit dem Nachwuchs, das Stammpublikum des Senders hat jedenfalls schon länger keine Bravo mehr gekauft.

Dem öffentlich-rechtlichen Fernsehpublikum erklärt seit 2013 die Doku-Reihe Make Love den guten Sex, damals noch im MDR. Anfangs war der Spott groß über die "Sexologin" Ann-Marlene Henning, die Paaren aus Gräfelfing oder Dresden mithilfe von "Mösette", der Plüschvagina, die weibliche Ejakulation und die Vorzüge der Prostatamassage erklärte. Aber Hennings Art, Explizites ungezwungen zu erörtern, kam an, die brünette Dänin wurde zu einer Art gebührenfinanzierter Erika Berger. Wegen guter Quoten wanderte das Format vom MDR zum ZDF - und fand dort vor allem bei jüngeren Zuschauern Anklang - was beim ZDF heißt: Zuschauern bis 49.

In der ersten Folge von Staffel drei, "Wie lieben Teenager?" (12. Juli, 22.45 Uhr), besucht Henning eine Schulklasse in Leipzig und stellt die Frage, die gerade viele umtreibt: Wie liebt die Jugend in Zeiten von Internet und Pornos? Offenbar nicht so viel anders als vorher, die Schüler können ihren Aussagen nach zwischen Pornos und Normalo-Sex unterscheiden: "Als würde man so lange durchhalten", erklärt ein flaumbärtiger Junge. "Irgendwann tut das der Frau auch weh und irgendwann schlafft er halt auch ab."

Bisher lag der Reiz für den Zuschauer darin, aus den Problemen der anderen vielleicht auch etwas für das eigene Sexleben zu lernen. Jetzt aber beobachtet man Teenies beim Aufklärungsunterricht, inklusive Gummi-Penis und Mösette.

Wie Bravo-Eltern dürfte auch die ZDF-Folge am ehesten die sexgeneigte Jugend interessieren, die aber ja - nach allem was man weiß - anderswo nach Aufklärung suchen. Vielleicht zeigen Mama und Papa ihnen ja mal, wo der Fernseher steht.

Viel Schrift, ein bisschen nackte Haut: das Titelbild der ersten Ausgabe der Bravo Eltern - Dr. Sommer. (Foto: obs/Bauer Media Group, BRAVO)
© SZ vom 01.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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