Netflix:Was sie sehen, wenn sie uns sehen

Lesezeit: 2 Min.

Zur falschen Zeit am falschen Ort: Asante Blackk als Kevin Richardson in "When They See Us". (Foto: AP)

Schuldig nur durch die eigene Hautfarbe: Die True-Crime-Serie "When They See Us" ist ein bedrückendes Bürgerrechts- und Familiendrama.

Von Susan Jörges

Frühjahr 1989: Trisha Meili, eine 28-jährige weiße Joggerin, läuft spätabends ihre Runde durch den nördlichen Teil des Central Parks. Eine Gruppe junger schwarzer Amerikaner zieht umher, rempelt Radfahrer an, schubst Passanten. Wildern nennen Polizisten das, "Randalieren im Rudel". Die Polizei Manhattans verhaftet willkürlich junge Männer aus der Menge. In der Nacht wird Trisha im Park gefunden, vergewaltigt, ohne Erinnerung an die Vorkommnisse, stark unterkühlt, sie hat eine Schädelfraktur erlitten und viel Blut verloren. Ob sie überlebt, ist anfangs unklar.

Anhörungen der verhafteten Jugendlichen folgen, bei denen vier Afroamerikaner und ein Hispanoamerikaner als Hauptverdächtige von weißen Beamten zu Geständnissen gezwungen werden.

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When They See Us ist eine Netflix-Serienadaption dieses Central Park Jogger Case vom 19. April 1989, bei dem Yusef Salaam, Kevin Richardson, Raymond Santana, Antron McCray und Korey Wise für die Vergewaltigung Trisha Meilis und wegen versuchten Mordes verantwortlich gemacht wurden. Zwischen sechs und 13 Jahre saßen vier der fünf jungen Männer unschuldig im Gefängnis. Denn erst im Jahr 2002 legte der Täter, Matias Reyes, ein Geständnis ab. Zurück bleibt Unverständnis und die Frage: Wie konnte die Staatsanwaltschaft trotz widersprüchlicher DNA-Beweise zuvor eine derartige Anklage erheben?

Auf der Polizeiwache werden die Jugendlichen zu Geständnissen gezwungen

Die vier 60-bis 90-minütigen Folgen der Miniserie begleiten die fünf Jungen vom Unglücksabend bis zu den Tagen ihrer Gefängnisentlassungen, zwei verschiedene Darsteller spielen die Protagonisten im Jugend- und Erwachsenenalter. Einzig Jharrel Jerome (Moonlight) spielt die Rolle des Korey Wise sowohl als Jugendlichen als auch als Erwachsenen. Eine bedrückende Schwere liegt auf dem Fall, der eine von Rassismus und Vorurteilen durchtränkte Justiz im Amerika des späten 20. Jahrhunderts zeigt. Ungläubig verfolgt der Zuschauer die Anhörungen auf der Polizeiwache, bei denen Polizisten Geständnisse erzwingen, die den Jugendlichen in den folgenden Gerichtsprozessen zum Verhängnis werden. Das vernichtende Urteil ist vorhersehbar, die fünf Jugendlichen werden von der Jury schuldig gesprochen.

When They See Us ist Bürgerrechtsdrama, Politdrama und Familiendrama in einem. Doch trotz der fatalen Diskriminierung schwingt Hoffnung auf Gerechtigkeit und Veränderung in dieser Serie mit. "Warum werden wir so behandelt? Wird sich das je ändern?", fragen sich die fünf Verhafteten. Die Presse greift das Thema auf, und entfesselt tatsächlich einen Strom an Wut, Hass und verbaler Gewalt. Vor dem Justizgebäude fordern vorwiegend schwarze US-Amerikaner die Freilassung der Fünf. "There was no rape!" und "Let them free!" steht auf den Plakaten der Demonstranten.

Die Geschichten der jungen Männer werden über den eigentlichen Fall hinaus erzählt: Als Raymond wegen guter Führung freigelassen wird, zieht er zurück zu seinem Vater. Doch der hat mittlerweile eine neue Frau geheiratet, und Raymonds altes Zimmer ist mit Spielsachen vollgestellt. Entsprechend schwer fällt es ihm, Vertrauen zu Menschen aufzubauen. Folge vier stellt die Gefangenschaft Koreys in den Mittelpunkt, der zwölf Jahre in verschiedenen Gefängnissen verbrachte. Seine Locken trägt er zu Cornrows geflochten, aus einem lebensfrohen Jugendlichen ein verkapselter, isolierter Mann geworden, der die Brutalität des Gefängnisses zu überleben versucht. Nachts träumt er von Auto-Scootern, Riesenrädern und seiner Jugendliebe.

Am Ende steht die Frage nach Wiedergutmachung. Die Frage, ob die 41 Millionen US-Dollar Entschädigung, welche die "Central Park Five" vom Staat New York erhielten, auch nur ansatzweise das Unrecht wiedergutmachen konnten, das ihnen angetan worden ist.

When They See Us , Netflix*

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© SZ vom 04.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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