Netflix-Film:Lebendig gewordene Ken-Puppe in Tarnkluft

Lesezeit: 3 min

Still gestanden: Brad Pitt spielt General McMahon mit äußerst sparsamer Mimik. (Foto: AP)

"War Machine" mit Brad Pitt als Isaf-Kommandeur in Afghanistan vermischt Kriegsdrama mit Satire - und scheitert daran.

Von Luise Checchin

Zu den Aufgaben eines großen Anführers gehört es, seinen Untergebenen dann und wann etwas Weisheit einzuflößen. Bei dem US-General Glen McMahon, Hauptfigur des Netflix-Films War Machine, hört sich das dann so an: "Wir können ihnen nicht helfen und sie gleichzeitig töten - das ist menschlich einfach nicht möglich." Mit "ihnen" sind die Afghanen gemeint, die auch im achten Jahr nach der US-Invasion noch nicht durchweg begeistert sind von den fremden Truppen in ihrem Land. General McMahon soll das ändern und deswegen stellt er erst einmal ein paar grundsätzliche Dinge fest, wie eben die Tatsache, dass die Konzepte "Helfen" und "Töten" sich nicht so richtig gut miteinander vertragen.

60 Millionen Dollar soll es Netflix wert gewesen sein, dass der Film dort und nicht im Kino läuft

Brad Pitt, der McMahon spielt, lässt den General diese Erkenntnis nach einer guten halben Stunde mit der bräsigen Inbrunst eines von sich selbst restlos überzeugten Machers verkünden. Bis zu diesem Punkt kommt War Machine wie eine klassische Kriegssatire daher. Man sieht einer Truppe breitbeiniger amerikanischer Elitesoldaten dabei zu, wie sie durch den afghanischen Staub trampelt und erfolgreich die Realität ausblendet. Doch dann hat einer der Soldaten, die McMahon gerade mit seinen philosophischen Ausführungen beglückt hat, eine kritische Anmerkung. Es sei schwierig zu helfen, sagt er, wenn die Zivilisten, denen er helfen soll, genauso aussehen wie die Aufständischen, die ihn in die Luft sprengen wollen. Da ist sie also, die Realität, nicht überspitzt oder ins Absurde gedreht, sondern ganz ernsthaft inszeniert. Und da ist dann auch schon das Hauptproblem dieses Films, der hilflos zwischen den Genres herumeiert.

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War Machine beruht auf einer wahren Geschichte, dem Aufstieg und Fall des ISAF-Kommandeurs in Afghanistan, Stanley McChrystal. Ein wenig schmeichelhaftes Porträt des Generals im Rolling Stone zwang diesen 2010, nach nur einem Jahr im Amt, zum Rücktritt. In dem Text des Journalisten Michael Hastings äußerten sich McChrystal und sein Umfeld abschätzig über die Obama-Regierung und deren Strategie zum Rückzug aus Afghanistan. Hastings schrieb danach mit The Operators ein ebenso kritisches wie erfolgreiches Buch über seine Erfahrungen mit McChrystal und den Afghanistankrieg, an dem sich Brad Pitt die Rechte sicherte. Dass War Machine nun nicht weltweit in den Kinos zu sehen ist, sondern bei Netflix, liegt daran, dass der Streamingdienst angeblich 60 Millionen Dollar dafür gezahlt haben soll. Um neue Abonnenten zu binden, setzt das Portal neuerdings nicht mehr nur auf Serien-, sondern verstärkt auch auf Filmproduktionen. Und mit der Kombination aus kontroversem Thema und großem Namen kann man doch eigentlich nichts falsch machen, oder? Nun ja.

Regisseur und Drehbuchautor David Michôd hat War Machine zu gleichen Teilen als Kriegssatire und Kriegsdrama angelegt. Es mag Filme geben, denen dieser Genremix gelingt, aber War Machine gehört nicht dazu. Die komödiantischen Elemente stehen hier nicht nur unzusammenhängend neben den tragischen, sie hebeln sich auch gegenseitig aus.

Die Probleme beginnen schon mit der Erzählperspektive. War Machine hält sich auf den ersten Blick sehr eng an seine Vorlage. Der Film ist aus der Sicht eines Reporters des Rolling Stone geschildert, der den ISAF-General und sein Team begleitet und letztendlich durch seinen Artikel zu Fall bringt. Man sieht diesen Reporter nur kurz, seine Erzählstimme aber, die aus dem Off die Handlung kommentiert, ist sehr präsent. Der fiktive Reporter klingt dabei zwar noch um einiges ironischer als Hastings in seinem launigen McChrystal-Porträt, im Grunde gleichen sich die Beschreibungen des fiktiven McMahons und des realen McChrystals aber ungemein. Entworfen wird das Bild eines brillanten Mannes mit eisernem Willen (vier Stunden Schlaf pro Nacht, eine Mahlzeit am Tag, eine Vorliebe für hochriskante Kampfeinsätze), der in reiner Selbstüberschätzung einen Krieg gewinnen will, den er eigentlich nur abwickeln soll.

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Unglücklicherweise passt dieses Bild so gar nicht zu der Figur McMahons, wie Brad Pitt sie spielt. Pitt macht aus dem General eine lebendig gewordene Ken-Puppe in Tarnkluft, mit einem gorillahaften Gang und einem einzigen abrufbaren Gesichtsausdruck. Das heißt nicht, dass die Floskeln, die er seinen Soldaten und der Weltgemeinschaft entgegengrunzt, mitunter nicht amüsant wären. Und auch sonst gibt es gute Momente, etwa wenn Ben Kingsley sich als lethargischer afghanischer Präsident Hamid Karzai mehr für seinen DVD-Player als für sein Land zu interessieren scheint. Aber spätestens wenn War Machine ins Tragische abdriftet, rächt sich die oberflächliche Albernheit. Wenn McMahons Heldenfantasien an seiner Realitätsblindheit scheitern, wenn sich herausstellt, dass seine Ehe eigentlich nur auf dem Papier besteht, dann bräuchte es eine Figur mit einer gewissen Tiefe, um diese Konflikte spürbar zu machen.

Stattdessen kommt dem Film die Hauptfigur irgendwann einfach abhanden. Im letzten Drittel fokussiert sich War Machine plötzlich auf das Drama des einfachen Soldaten in einem sinnlosen Krieg, nur um am Ende wieder in den Satireton hinüberzuwechseln. Das wirkt in etwa so, als zeige einem jemand zwischen zwei Miss-Piggy-Bildern das Foto eines geschlachteten Schweins: Man hat keine Ahnung, was man damit anfangen soll, aber man weiß, dass man es weder besonders lustig noch besonders erschütternd findet.

War Machine , abrufbar bei Netflix.

© SZ vom 26.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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