TV-Serie:"This is Us" hält Zuschauern eine Schulter zum Ankuscheln hin

This is Us Pro Sieben

Drillinge hatten die Pearsons erwartet, doch eines der Babys kommt tot zur Welt. Noch am selben Tag adoptieren sie ein ausgesetztes Kind.

(Foto: 20th Century Fox/NBC)

Keine andere Serie war in den USA zuletzt so erfolgreich wie die Familiengeschichte "This Is Us". Das liegt auch daran, dass ihre Autoren meisterhaft mit Kitsch umgehen.

Von Katharina Riehl

Als die New York Times im vergangenen September über die neue Familienserie des US-Senders NBC berichtete, stand darin nicht nur der schöne Satz, This Is US zu schauen sei, wie mit einem nassgeweinten Kissen verprügelt zu werden. Es fand sich in dem Text auch eine kleine Analyse zum Zustand des klassischen, werbefinanzierten Fernsehens in den USA. Die Sender, hieß es da, hätten ihre Kompetenz, die Menschen mit emotionalen Geschichten von Liebe und Familie zu unterhalten, den Pay-Sendern und Streamingdiensten überlassen. Im Fernsehen gebe es nur noch Superhelden und Anwälte, schrieb das Blatt, und erwähnte noch nicht einmal die mindestens ebenso vielen Ärzte und Polizisten im täglichen TV-Einsatz.

Auch die New York Times wusste damals natürlich noch nicht, aber schien zumindest eine leise Ahnung zu haben, dass sie This Is US wenige Monate später als die große Hoffnung des klassischen Fernsehens bezeichnen würde. Mit durchschnittlich 15 Millionen Zuschauern war die Produktion die meistgesehene Serie der vergangenen TV-Saison. Und so ganz nebenbei hat This Is US all den so hochgelobten Serienmachern dieser Jahre gezeigt, wie man mit einer im Grunde wahnsinnig simplen Story sehr viele Menschen bewegen kann.

Die Streamingdienste bieten für jeden eine Serie. "This Is US" aber ist eine Serie für jeden

Erzählt wird die Geschichte der Familie Pearson, und sie beginnt am 31. August 1980, an dem Tag, an dem Rebecca und Jack Eltern werden. An Jacks Geburtstag, sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin, platzt die Fruchtblase und die Drillinge kommen zur Welt - Kevin, Kate und ein kleiner Junge, dem sich die Nabelschnur um den Hals gelegt hat. Noch im Krankenhaus beschließen die so glücklichen und über den Tod des einen Babys so unglücklichen Eltern, ein drittes Kind für ihr drittes Kinderbett zu adoptieren, einen kleinen schwarzen Jungen, den jemand nach seiner Geburt vor einer Feuerwache abgelegt hat.

Die Handlung springt von diesem vierfachen Geburtstag an hin und her zwischen den Jahrzehnten, zwischen der Kindheit der drei Geschwister in Pittsburgh und ihrem Leben als Erwachsene, 36 Jahre später. Kevin (Justin Hartley) ist inzwischen ein TV-Star, der seine Seele an einen Sender verkauft hat, Kate (Chrissy Metz) ist schrecklich dick und darüber schrecklich verzweifelt. Und Randell (Sterling K. Brown), das Adoptivkind, hat selbst Kinder und macht sich auf die Suche nach seinem leiblichen Vater.

Es ist also weder ein besonders extravaganter Plot noch eine doppelbödige Handlung, mit der This Is Us zum Saisonknaller wurde. Der Erfolg dieser Familiengeschichte erklärt sich vielmehr durch den meisterhaften Einsatz von Kitsch - und das heute selten gewordene Wagnis, das Personal einer Serie mit im Grunde guten Menschen zu bestücken. Abgründe sind hier solche, die der Alltag eben bereit hält, die kleine Lüge dem Ehepartner gegenüber oder der eigentlich verbotene Griff in den Kühlschrank.

Oder wie es Macher Dan Fogelman in einem Interview sagte: Nicht jeder Zuschauer ist eben ein High-School-Lehrer, der zum Drogendealer wird. This Is Us ist völlig anders als das böse Breaking Bad, die Serie hält ihren Zuschauern eine Schulter hin, an die sie sich kuscheln können. Das mag platt klingen, aber Wohlfühlfernsehen ist eine hohe Kunst. This Is Us ist genau die Art von Fernsehen, zu dem sich bei Streamingdiensten und Pay-Sendern ein Gegenprogramm entwickelt hat. Netflix will die Masse erreichen, indem dort jeder eine eigene Serie für sich findet. This Is Us ist eine Serie, in der sich jeder wiederfindet.

Dass dieses Wohlgefühl sich bei This Is Us schon nach wenigen Folgen einstellt, ist zum großen Teil auch dem Cast zu verdanken, zum Beispiel Milo Ventimiglia, der einst in den Gilmore Girls zum Teenie-Schwarm wurde und jetzt den liebevollen, überforderten und wahnsinnig hübschen Vater Jack spielt. Chrissy Metz, die übergewichtige Kate, hat in diversen amerikanischen Fernsehsendungen über den Umgang mit Gewichtsproblemen berichtet. This Is Us hat etwas geschafft, was nicht mehr viele Serien schaffen in einer Zeit, in der sich Produzenten und Sender jedes Jahr mit einer neuen Rekordzahl an Neuproduktionen selbst übertreffen. Die Serie ist zum Gesprächsthema geworden.

Der Kampf zwischen dem klassischen Fernsehen und all den Alternativen dazu mag in Deutschland noch nicht ganz so hart geführt werden wie in den USA, doch an diesem Dienstag hat der Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) eine Studie zum Fernsehkonsum vorgestellt: 65 Prozent der Deutschen schauen mindestens einmal in der Woche Fernsehen, wieder weniger als 2016. 30 Prozent der Menschen streamen, acht Prozent mehr als zuletzt. Auch bei uns werden sich die Programmmacher überlegen müssen, was sie der neuen Konkurrenz entgegenzusetzen haben, weshalb der Erfolg von This Is Us auch hierzulande aufmerksam verfolgt worden sein dürfte. Die Serie läuft hier bei Pro Sieben, wo man seit vielen Jahren von den immer selben Erfolgen zehrt, von Sitcoms wie Big Bang Theory oder dem Krankenhausklassiker Grey's Anatomy. Mal wieder ein echter Serienhit, wie es This Is Us in den USA eben war, wäre auch für Pro Sieben mehr als nur ein netter Erfolg.

This Is Us, Pro Sieben, 21.45 Uhr.

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