Die Halbzeitpause des Länderspiels war eine gute Gelegenheit für "Tagesthemen"-Moderator Ingo Zamperoni, um eine wichtige Personalie zu verkünden. Denn das Freundschaftsmatch der DFB-Elf gegen Ecuador sahen trotz seiner sportlichen Bedeutungslosigkeit immerhin 8,3 Millionen Menschen in Deutschland. Und viele von ihnen saßen wohl auch vor dem Fernseher, als Zamperoni tief Luft holte und sagte: "Und nun zum Schluss noch eine Meldung in eigener Sache: Am Nachmittag ist unser Kollege Tom Buhrow in Köln zum neuen Intendanten des Westdeutschen Rundfunks gewählt worden."
Für den 39-jährigen Zamperoni möglicherweise sogar eine Meldung in ureigenster Sache? Seit 2012 ist er bei den "Tagesthemen" Vertreter für die Moderatoren Buhrow und Caren Miosga. Nun wird mit Buhrows Weggang einer der begehrtesten Plätze im deutschen Fernsehen frei. Die 35 Jahre alte Nachrichtensendung im "Ersten" setzt seit Mitte der 80er Jahre auf zwei wöchentlich abwechselnde Stamm-Moderatoren. Seither haben die "Tagesthemen" stets vertraute Gesichter - oft über mehrere Jahre hinweg. Steht ein Wechsel auf diesem Platz an, werden die "Tagesthemen" selbst zum Thema das Tages.
Wickert wünschte nach 15 Jahren letztmals eine "geruhsame Nacht"
Am längsten blieb Ulrich Wickert: 15 Jahre lang begrüßte er die Zuschauer von dieser Stelle aus. 2006 wünschte Wickert zum letzten Mal eine "Geruhsame Nacht", danach trat Buhrow seine Nachfolge an und spielte bei seiner Premiere auf den oft thematisierten Gruß an: "Eigentlich ist es jetzt spät genug, um Ihnen in irgendeiner Form eine gute Nacht zu wünschen..."
Wann genau der neue WDR-Intendant sich verabschieden wird, ist noch nicht klar. Da der Wechsel aus den Hamburger ARD-aktuell-Studios aber recht schnell über die Bühne gehen soll, wird Buhrow seinen siebten "Tagesthemen"-Geburtstag am 1. September wohl nicht mehr feiern können. Doch auch mit knapp sieben Dienstjahren schneidet er so schlecht nicht ab. Auf mehr brachte es außer Wickert nur noch Sabine Christiansen (1987-1997). Während Wickert nach seinem Abschied im TV - abgesehen von der Sendung "Wickerts Bücher" - vor allem selbst Bücher schrieb, galt "Tagesthemen"-Veteranin Christiansen von 1998 bis 2007 als Deutschlands "First Lady" unter den Talkshow-Moderatoren.
Ihren Talkshow-Platz übernahm Anne Will, die zuvor auch bei den "Tagesthemen" moderiert hatte - sechs Jahre zwischen 2001 und 2007 - nachdem Gabi Bauer sich mit vier himmelblauen Babysöckchen nach dreieinhalb Jahren aus dem Studio verabschiedet hatte. Nach der Geburt ihrer Zwillings-Jungen kehrte Bauer 2002 zunächst mit einer Talkshow zurück, seit 2006 ist sie im Fernsehen erst weit nach den "Tagesthemen" dran - mit dem ARD-"Nachtmagazin". Ihr dortiger Moderationskollege: Ingo Zamperoni.
Ob dieser bald Kollege von Miosga wird? Seit 2007 ist sie das weibliche Aushängeschild der "Tagesthemen". Über eine Legende unter ihren Vorgängern sagte die 44-Jährige einmal: Der 1995 gestorbene Hajo Friedrichs sei für sie wie die Schrankwand im Wohnzimmer gewesen - einfach nicht wegzudenken. Sie selbst wäre lieber ein Bild, in dem man immer wieder etwas Neues entdecken könne. Gestartet war Friedrichs 1985 im gleichen Monat wie Ulrike Wolf, die bis 1987 blieb und später bis 2011 an der Spitze des MDR-Landesfunkhauses Sachsen stand. Nach fast sechs Jahren hatte sich Friedrichs - der Mann mit dem silbergrauen Haar - von seinem Platz verabschiedet und an Wickert übergeben.
Beckmann dementiert: "Falsche Fährte"
An wen Buhrow übergeben wird, ist nach ARD-Angaben noch offen. "Dazu gab es weder eine Besprechung noch eine Sitzung", sagte eine Sprecherin am Donnerstag in Hamburg über die Top-Personalie bei ARD aktuell, die von den ARD-Intendanten beschlossen wird. Spekuliert über die Nachfolger wurde in den Medien bereits vor der WDR-Intendanten-Kür. Prominentester Name dabei: Reinhold Beckmann, der seine Talkshow 2014 beendet. "Große Ehre, aber falsche Fährte", lautet sein Kommentar. Ebenfalls genannt wurden der New Yorker ARD-Korrespondent Thomas Roth und die Studioleiterin in Washington, Tina Hassel. Auch Buhrow hatte zuvor für die ARD in Washington gearbeitet.
Zweimal "Mrs Tagesthemen" und ein Mann "nur" als Vertreter? "Es kommt auf die Qualität an", sagte die ARD-Sprecherin, "theoretisch können das auch zwei Frauen sein". Ob Buhrow als neuer WDR-Intendant schon mit über seinen Nachfolger entscheiden wird, blieb noch offen. Seinen genauen Vertragsbeginn muss der 54-Jährige ebenso noch klären wie seine letzte "Tagesthemen"-Moderation. "Ich werde bestimmt noch eine Woche machen müssen", sagte er. "Ich werde mich doch noch verabschieden dürfen von den Zuschauern." Vom 10. bis 16. Juni steht er jedenfalls an gewohnter Stelle im TV-Programm.