"L'Ora - Worte gegen Waffen" auf Sky:Stunde der Mutigen

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Antonio Nicastro (Claudio Santamaria), neuer Chefredakteur voller Tatendrang, und seine Kollegin Enza Cusumano (Daniela Marra). (Foto: © SquareOne Entertainment)

Die Serie "L'Ora" schildert den Kampf einer Zeitungsredaktion gegen die Mafia, ungeschönt und beeindruckend.

Von Carolin Gasteiger

Die Hände des jungen Mannes klammern sich an die Kamera, die er um den Hals trägt. Zitternd steht er da, in Unterhosen. Eigentlich wollten seine Kollegen und er hier im Bordell feiern. Aber die Mafia macht den Abend für Niccolò "Nic" Ruscica zu einer unerwarteten Premiere: Zum ersten Mal in seinem Leben sieht er ein Mordopfer, nach einem Kugelhagel liegt die Puffmutter mit schreckgeweiteten Augen auf dem Sofa. Niccolò Ruscica hält die Kamera fest, so gut es geht - und drückt ab.

Szenen wie diese, unvermittelt, fein choreografiert, sind es, die die italienische Serie L'Ora - Worte gegen Waffen, die jetzt auf Sky läuft, nicht zu einer x-beliebigen Produktion über die Mafia machen. Die Serie beschönigt, verschweigt oder verbirgt nichts - und ist bildstark inszeniert.

"L'Ora" - die Stunde - ist der Name einer linken Tageszeitung, die in den Fünfzigern in Palermo einfach nicht aus den Miesen kommt. Zu wenige Exemplare werden verkauft, die Redakteure halten lieber kommunistische Parteisitzungen in der Teeküche ab, schreiben Gedichte oder probieren Rezepte aus. Der Alltag, die wirtschaftliche Situation, wer weiß schon, was, hat sie zermürbt. Bis Antonio Nicastro kommt, der neue Chefredakteur. Voller Tatendrang, professionell und vor allem furchtlos, immer mit einer Kippe in der Hand. Claudio Santamaria arbeitet sich als Nicastro herrlich selbst dabei auf, aus diesem trägen, verrückten Haufen wieder Journalisten und aus L'Ora wieder eine Zeitung zu machen.

Auf die Berichterstattung folgen Drohungen, Anzeigen, auch Explosionen

Allerdings hätten sie sich keinen gefährlicheren Gegner aussuchen können: Ziel aller Recherchen wird bald die Mafia. In der Serie setzt Chefredakteur Nicastro selbst die schweren Bleilettern zusammen, die das Wort formen, das aufgrund der Omertà, der Pflicht zum Schweigen, niemand laut ausspricht. "Von heute an antworten wir auf Blei mit Blei", verspricht er. Es folgen Drohungen, Anzeigen, Finten und Explosionen.

Auch im wahren Leben hat die Tageszeitung L'Ora über die Mafia berichtet - als erste Zeitung in Sizilien - und später mit unbeugsamen Fotoreportern wie Letizia Battaglia oder Franco Zecchin Mordopfer, traditionelle Treffen, Prozessionen dokumentiert. 1992 wurde sie eingestellt. Dem Mut und Engagement ihrer Mitarbeiter zollt die Serie nun Tribut. Denn, wie der Prinz, zu dessen Empfang ganz Palermo geladen ist, zu Nicastro sagt: "Mit der Wahrheit ist es bei uns wie mit dem Nebel. Je näher man ihr kommt, desto weniger sieht man."

Verantwortlich für die Serie sind Drehbuchautor Ezio Abbate ( Suburra), Riccardo Degni und der Journalist und Anti-Mafia-Aktivist Claudio Fava ("100 Schritte"). Fava, dessen Vater, auch ein Journalist, von der Mafia getötet wurde, sagte in einem Interview: "Die zivile und professionelle Stärke eines Chefredakteurs wie Nisticò (wie er in Wirklichkeit heißt, Anm. d. Red.) und die Leidenschaft und die professionelle Strenge seiner Crew haben L'Ora zu einer unnachahmlichen Geschichte gemacht. Für jemanden wie mich, einen Journalisten, der in den darauffolgenden Jahren in Sizilien arbeitete, war das eine Redaktion, von der jeder nur träumen konnte."

Mit L'Ora haben sie eine sensationelle Serie geschaffen, die wahre Begebenheiten auf ganz besondere Weise schildert. In sepiafarbenem Licht, und doch nicht verklärend, mit einem unglaublichen Soundtrack, der manche Szenen wie aus einem Musikvideo erscheinen lässt. Wenn man Geschichte fiktional aufarbeiten will, dann bitte so.

L'Ora - Worte gegen Waffen , zehn Folgen, auf Sky.

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