Jörg Thadeusz:Da war er seiner Vorstellung vom Himmel sehr nah

Dass er sich trotzdem noch beinahe kindlich begeistern lässt für jeden einzelnen Gast, zeugt von ehrlichem Engagement. Beim Treffen in Essen erzählt er begeistert davon, dass ihm Katarina Witt nach der Sendung gezeigt hat, wie der auch "Königssprung" genannte dreifache Axel beim Eiskunstlauf funktioniert. Katarina die Große hat es dem kleinen Jörg erklärt und vorgeführt. Oder wenn er vom Deutschen Fernsehpreis berichtet, wo er schon mehrfach folgenlos nominiert war, wo ihn beim letzten Mal aber Thomas Gottschalk zur Seite genommen und ausdrücklich gelobt hat. Das hat ihn für den ausgebliebenen Preis mehr als entschädigt. "Gottschalk", sagt Thadeusz und lässt eine kleine Pause: "Das war ein Ding."

Und wenn er schon einmal beim Schwärmen ist, packt er auch gleich noch seine Erinnerungen an WM Kwartira aus, jenes Late-Night-Format im Ersten, bei dem er im Sommer Fußball gucken und hinterher mit seinem Kumpel Micky Beisenherz und ein paar Gästen drüber reden durfte. Da war er seiner Vorstellung vom Himmel sehr nah.

Aber das mit der Himmelsnähe kennt Thadeusz ganz gut. Er hat schon öfter mal diesen Steilflug ganz nach oben erlebt, aber eben auch die Schussfahrt in die Gegenrichtung. Beim ZDF sollte er 2013 eine lustige Show moderieren. Durchgedreht hieß die - und war es auch. Komödianten sollten zu aktuellen Nachrichten improvisieren. Es war eine Vollkatastrophe. Man erkannte Thadeusz nicht wieder. Das sollte der Typ sein, der ein paar schöne Bücher geschrieben hat, der in der WDR-Hörfunk-Kaderschmiede Eins Live sein Handwerk gelernt hat, der beim Satiremagazin Extra 3 Moderator war und beim WG-Spielshowtalk Zimmer frei als sehr witziger Außenreporter einen Grimme-Preis bekam?

Seine Rettung war vielleicht, dass im selben Jahr Thadeusz und die Beobachter an den Start ging, eine RBB-Sendung, in der sich Hauptstadtjournalisten wie Elisabeth Niejahr von der Wirtschaftswoche oder Claudius Seidl von der FAS mit aktuellen politischen Themen auseinandersetzen, dabei aber stets nach der etwas anderen Perspektive suchen. Die Sendung liegt dem Gastgeber bis heute sehr am Herzen. "Da bin ich stolz drauf", sagt Thadeusz, weil es eben keine Rechthabershow ist, weil sich Journalisten auch mal irren dürfen oder überzeugt werden vom besseren Argument. "So geht Politik: Wettstreit von Meinungen", sagt er und sieht sich damit konform mit dem Auftrag seines Senders: "Öffentlich-rechtlicheres Fernsehen kannst du nicht machen."

Liegt es an seiner vornehmen Zurückhaltung, dass er keine Samstagabendshow moderiert?

Mit klugem Gespür achtet Thadeusz darauf, Distanz zu halten nach allen Seiten. Gern wird ihm, der früher mal bei den Grünen war, vorgeworfen, er sei inzwischen ein konservativer Knochen. Damit kann er nichts anfangen. Er sei in sozialen Fragen keineswegs konservativ, sagt er. "Ich habe nur keinen Bock auf die Wehleidigkeit, auf dieses Gejammer." Thadeusz bezeichnet sich selbst als "im angelsächsischen Sinne liberal".

Und natürlich ist er ein Pflichterfüller. Auf Thadeusz kann man sich verlassen. Er kennt seinen Platz, und er weiß um die Anforderungen. "Ich kann das alles, weil es kein Hexenwerk ist", sagt er. Er weiß auch, dass seine Chancen, noch mal groß im Ersten auftrumpfen zu können, gar am Samstagabend, minimal sind. "Ich war nie hübsch genug", diagnostiziert er und attestiert sich eine gewisse Struppigkeit.

Vielleicht liegt es aber auch an seiner vornehmen Zurückhaltung, dass er es nie in die oberste Umlaufbahn des Talkgewerbes geschafft hat. Er ist halt ein Mann fürs Dritte, einer, dem man vertraut, der weiß, was er tut, bei dem man aber vor lauter Vertrauen irgendwann vergisst, sich den Namen zu merken. Dann ist er halt der Urologe oder der vom Versicherungskongress. Hauptsache, es geht weiter mit ihm, und da hat Jörg Thadeusz großes Vertrauen ins öffentlich-rechtliche System. "Ich kenne die Verantwortlichen. Auf die verlasse ich mich", sagt er. Und die Verantwortlichen kennen ihn. Im Gegensatz zu manchen Frauen auf Berliner Wochenmärkten.

Thadeusz und die Beobachter, Dienstag, Talk aus Berlin, Mittwoch, Donnerstag, RBB, 23.30 Uhr.

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