Es war ein merkwürdiges Nebeneinander der Ereignisse an diesem Mittwochmittag: Im Bundestag musste Jens Spahn als Profi Rede und Antwort stehen, es ging um sein Agieren als Gesundheitsminister in der Pandemie, um das Impfen und um Schnelltests. Der Minister war klar und deutlich, "ein Leben ohne das Virus und einen Inzidenzwert von null wird es in diesem Land erst mal nicht geben", sagte er. Weniger eindeutig ging es nur einen kräftigen Steinwurf vom Bundestag entfernt zu. Dort, in der Bundespressekonferenz, stand nicht der Minister Jens Spahn zur Debatte, sondern der Privatmann Jens Spahn.
"Das ist eine Privatangelegenheit des Ministers", sagte sein Sprecher Hanno Kautz den Journalisten: "Ich sitze hier nicht, um die privaten Angelegenheiten des Ministers zu besprechen." Die Berliner Zeitung Tagesspiegel hatte zuvor berichtet, Spahn lasse über seinen Anwalt "offenbar Journalisten unter anderem von Spiegel, Bild, Stern und Tagesspiegel über deren Recherche zu seinen Immobiliengeschäften in Berlin ausforschen". Dies gehe aus einem Schreiben hervor, das Spahns Anwälte an das Amtsgericht im Berliner Bezirk Schöneberg im vergangenen Dezember gerichtet hätten. Dies liege den Journalisten vom Tagesspiegel vor.
Erst zwei Jahre nach dem Kauf der Wohnung habe sich der Bund an der Firma Gematik beteiligt
Hintergrund ist der Kauf einer Wohnung in Schöneberg, die dem ehemaligen Pharma-Manager Markus Leyck Dieken gehörte. Der Kauf weckte das Interesse der Medien, da Spahn den Manager Dieken später mit der Geschäftsführung der Gematik GmbH betraute. Die Gematik ist zu mehr als fünfzig Prozent im Besitz des Bundes und soll die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreiben - vor der Pandemie eines der Großprojekte des Ministeriums. "Es gibt da keinen Zusammenhang", sagte Sprecher Kautz dazu. So habe Spahn die Wohnung im August 2017 gekauft, im März darauf aber sei er erst Gesundheitsminister geworden. Ein Jahr später dann habe sich der Bund an der Firma Gematik beteiligt, im Juli 2019 sei Dieken zum Geschäftsführer berufen worden. Kautz: "Da liegen zwei Jahre dazwischen."
Dennoch hat Spahn nach dem Bericht des Tagesspiegel offenbar äußerst empfindlich auf Nachforschungen von Journalisten beim Grundbuchamt, das zum Amtsgericht gehört, reagiert. In dem Schreiben sollen seine Anwälte das Amtsgericht aufgefordert haben, den gesamten Schriftverkehr mit der Zeitung und "sämtliche etwaige weitere Presseschreiben" mitsamt den Antworten des Grundbuchamtes herauszugeben. Zudem habe Spahn die Namen all der Journalisten wissen wollen, die sich nach seinen Immobiliengeschäften erkundigt hätten. "Um wen handelt es sich?", zitiert der Tagesspiegel aus dem Schreiben.
"Er hat als Privatmann sein Recht gegenüber dem Grundbuchamt wahrgenommen", so erklärte Kautz, dass Spahn nun offenbar seinerseits Nachforschungen anstellen ließ. "Eine Einsichtnahme in das Grundbuch erfordere ein berechtigtes Interesse." Tatsächlich haben Pressevertreter das Recht, Informationen bei Grundbuchämtern über die Besitzverhältnisse fremder Immobilien einzuholen - aber nur dann, wenn es ein übergeordnetes, eben "berechtigtes" Interesse daran gibt. Im Umfeld von Spahn heißt es, dass einige der Anfragen zu seinen Immobilien ohne jegliche weitere Erklärung gestellt worden seien. Spahn wolle sich das nicht bieten lassen und fordere nur sein Recht auf den Schutz seiner Daten als Privatperson ein. "Das Grundbuchamt hat in diesem Fall sowohl gegen die Grundbuchordnung als auch gegen die EU-Datenschutzverordnung verstoßen", erklärte Kautz. Anfragen der SZ dazu an das Amtsgericht Schöneberg blieben bis Mittwochnachmittag unbeantwortet.
Dass der Gesundheitsminister so empfindlich reagiert, hat vielleicht mit einem anderen Haus zu tun
Die Grundbuchämter dürfen grundsätzlich Auskünfte über journalistische Nachfragen geben. Im Jahr 2000 hat das Bundesverfassungsgericht jedoch geurteilt, dass die Behörden dabei umsichtig sein sollten. Dies bezog sich aber eher auf Recherchen im kriminellen Milieu, bei dem es Versuche geben könnte, Journalisten einzuschüchtern.
Dass der Gesundheitsminister im Fall der Wohnung in Schöneberg empfindlich reagiert, kann auch mit einer anderen seiner Immobilien zu tun haben. Im vergangenen Sommer haben sich Spahn und sein Ehemann eine Villa im Berliner Bezirk Dahlem gekauft. Pressevertreter hatten sich daraufhin mehrfach beim Grundbuchamt nach dem Kaufpreis erkundigt und dies auch mit Spahns Aussage begründet: "Hartz IV bedeutet keine Armut". Obwohl das Grundbuchamt den Betrag daraufhin nannte, ging das Ehepaar gegen genauere Angaben zum Wert der "Millionenvilla" mit Unterlassungsklagen vor. Darin wurde das Paar im Februar bestätigt: Das Hamburger Landgericht urteilte, dass der Kaufpreis "rechtswidrig durch ein Durchstechen" an die Öffentlichkeit gekommen sei. Die Summe habe deshalb nicht genannt werden dürfen. Der Tagesspiegel hat dagegen Berufung eingelegt.