Hörspiel "Preussen. Im Kopf":Verlierer der Geschichte

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: SZ)

Das Haus Hohenzollern ist nach dem Zweiten Weltkrieg enteignet worden. Hartnäckig fordern die ehemaligen preußischen Herrscher ihre Besitztümer zurück. Ein vierteiliges Hörspiel fragt: Mit welchem moralischen Recht?

Von Stefan Fischer

Preussen statt Preußen, das ist kein Schreibfehler im Titel des vierteiligen Hörspiels Preussen. Im Kopf. Sondern ein Trigger - das Doppel-s soll eine Assoziation wecken mit der Schutzstaffel des NS-Regimes, einem wesentlichen Garanten für das faschistische Herrschaftssystem. Im Angesicht der Restitutionsansprüche, die die Hohenzollern, das einstige preußische Herrschergeschlecht, für nach dem Zweiten Weltkrieg enteignete Kunstschätze und Immobilien geltend machen, stellt der Autor Tom Peuckert in seinem Hörspiel-Mehrteiler die Frage, woraus sich diese Ansprüche eigentlich ableiten. Und er verschiebt die Debatte von einer juristischen auf eine moralische Ebene. Auf der spielt nicht nur, aber doch ganz besonders eine Rolle, was an einer Stelle von Preussen. Im Kopf einmal "die Nazi-Kalamitäten" des Hauses Hohenzollern genannt wird.

Im Zentrum dieser Geschichte stehen zwei Historiker, gespielt von Sithembile Menck und André Kaczmarczyk, die im Auftrag einer Anwaltskanzlei klären sollen, ob Preußen denn nun ein vorbildhafter Musterstaat war oder ein gefräßiges Raubtier. Ob es für die Kanzlei also nicht nur monetär, sondern auch moralisch etwas zu gewinnen gibt, wenn sie die Hohenzollern vor Gericht vertreten. Oder ob kein Honorar dieser Welt den Imageverlust wettmacht, wenn man dem untergegangenen Staat zum Schaden des gegenwärtigen zu einem Sieg verhülfe.

Wer waren die ersten Adeligen: die Besten oder die Skrupellosesten?

Um zu klären, ob sich in dem Bemühen um die Rückerstattung ehemaliger Besitztümer Täter zu Opfern stilisieren wollen, beziehungsweise, ob die Hohenzollern überhaupt Täter sind, fangen die beiden Historiker ganz vorne an und ganz grundsätzlich: Wie überhaupt hat sich der Adel herausgebildet? Und liegt nicht vielleicht da schon der Kern des Problems, dass sich nicht die Besten hervorgetan haben, sondern die Skrupellosesten? Und die meisten der Nachkommen lediglich "zur richtigen Zeit dem richtigen Genpool entstiegen" sind. Weitere Qualifikationen nicht erforderlich. Welches Recht hat man an einem Besitz, den man nicht selbst erworben hat? Der durch Waffengewalt, Unterdrückung und Ausbeutung, durch Rassismus, Klassismus und Machismus aufgehäuft worden ist?

Das Hörspiel findet darauf recht eindeutige Antworten: Mit Preußen ist kein Staat zu machen.

Preussen. Im Kopf , Hörspiel in vier Teilen, WDR 3, 8.-11. November 2021, jeweils 19.04 Uhr.

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