Henri Nannen:Journalist mit Nazi-Hintergrund

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Publizist, Herausgeber, Chefredakteur, Gründer des "Sterns" - und während des NS leider auch Nazi-Propagandist: Henri Nannen mit einer Ausgabe seiner Zeitschrift. (Foto: Fotoreport/picture alliance/dpa)

Der "Stern" will neu um seinen Umgang mit Henri Nannen ringen, dem Gründer des Magazins, und seiner Vergangenheit als NS-Propagandist.

Von Aurelie von Blazekovic

Beim Wochenmagazin Stern ist gerade ohnehin schon einiges im Umbruch, es gehört seit Januar gemeinsam mit dem Verlag Gruner + Jahr zum Medienkonzern RTL, seit Mai gibt es einen neuen Chefredakteur, und nun klopft die Vergangenheit wieder an. Zur ersten öffentlichen Amtshandlung von Gregor Peter Schmitz, jenem neuen Chefredakteur, gehört deshalb ein Text in eigener Sache. "Henri Nannen und wir" heißt er.

Schmitz befasst sich darin mit den neuesten Erkenntnissen über den 1996 verstorbenen Gründer, langjährigen Herausgeber und Chefredakteur des Sterns Henri Nannen, einer prägenden Figur des deutschen Nachkriegsjournalismus, dessen Name bis heute großen Klang hat. Eine der renommiertesten Journalistenschulen Deutschlands und eine der wichtigsten Auszeichnungen für Journalisten in Deutschland tragen seinen Namen. Ein Video-Beitrag des NDR-Formats "Strg_F" brachte in der vergangenen Woche wieder auf den Tisch, was schon lange bekannt war - die Nazi-Vergangenheit Nannens.

"Diese Bilder sind eklig, sie sind widerlich, sie bedienen vor allem viele antisemitische Klischees."

Es sei schon viel darüber geschrieben geworden, wie Nannen, geboren 1913, als junger Mann zu den Nazis stand, so Schmitz - "über seine Rolle etwa in Leni Riefenstahls berühmtem 'Olympia'-Film von 1938, als Verfasser von Jubelartikeln auf Adolf Hitler oder als Mitglied einer Propagandaeinheit der SS in Italien namens 'Südstern'." Auch der Stern habe darüber immer wieder berichtet. Neu öffentlich werden durch den Beitrag des NDR Bilder der Flugblätter, für die Nannen als NS-Propagandist im Krieg verantwortlich war. Die Rechercheure holten sie aus der Staatsbibliothek Berlin. "Antisemitische, sexistische und rassistische Flugblätter", wie Schmitz sie beschreibt. "Diese Bilder sind eklig, sie sind widerlich, sie bedienen vor allem viele antisemitische Klischees."

Henri Nannen in den 1940ern als Chefredakteur der "Abendpost" in Hannover. (Foto: STR/AP)

Jede neue Erkenntnis müsse dazu führen, bisherige Bewertungen wieder und wieder infrage zu stellen, schreibt Schmitz. "Als Magazin, das Henri Nannen geprägt hat, wollen wir uns der Debatte stellen, ob wir noch kritischer als bisher auf den (komplizierten) Menschen Nannen schauen müssen (...)." In den kommenden Wochen werde man im Stern "offen um die Frage ringen", wie man Nannen bewerte, und "auch ob er weiter Namensgeber einer Schule sein kann, in der junge Journalistinnen und Journalisten ausgebildet werden, ob einer der renommiertesten Medienpreise seinen Namen tragen und ob Henri Nannen im Impressum unser Gründungsherausgeber bleiben soll". Schon länger geplant sei, anlässlich des 75. Geburtstags des Sterns, dessen Erstausgabe am 1. August 1948 erschien, "alle Facetten" von Nannens Tätigkeit in den Nazijahren durch Fachleute untersuchen zu lassen - "und auch eine mögliche Einflussnahme Nannens auf die spätere Berichterstattung im Stern".

Gregor Peter Schmitz, der das Magazin nun gemeinsam mit der sich in Elternzeit befindenden Anna-Beeke Gretemeier leitet, dürfte mit der Aufarbeitung von Nannens Erbe im Stern eine weitere große Aufgabe gefunden haben - zusätzlich zu den vielen anderen, die in der Redaktion anstehen. "Das Vergangene ist nie tot, es ist nicht einmal vergangen", so zitiert er den Literatur-Nobelpreisträger William Faulkner.

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