Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit:Fließend Warmwasser

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Warum das geplante "Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit" gut ist, aber nicht genügt.

Heribert Prantl

In China oder Iran ist Pressefreiheit nur zwei mal drei Meter groß und hat den Grundriss einer Gefängniszelle. In China oder Iran wissen aber die Menschen, was die Pressefreiheit wert ist. In Deutschland ist das anders. Weil die Pressefreiheit hierzulande als so selbstverständlich gilt wie fließend warmes Wasser, hat das Bewusstsein für ihren Wert nach und nach abgenommen.

Umso bemerkenswerter ist, dass es - erstmals seit langer Zeit - wieder ein Gesetz geben soll, das die Pressefreiheit stärkt: Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) will es nicht mehr zulassen, dass Staatsanwälte gegen Journalisten Ermittlungsverfahren wegen "Beihilfe zum Verrat von Dienstgeheimnissen" führen, dass sie Redaktionsräume und Privatwohnungen auf den Kopf stellen, dass sie Akten und Computer beschlagnahmen - um so herauszufinden, woher ein Journalist seine Information hat.

Das geplante Gesetz ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, denn das Bundesverfassungsgericht hat solche Durchsuchungsaktionen im Cicero-Urteil von 2007 für verfassungswidrig erklärt. Aber das Selbstverständliche ist, wenn es um den Schutz von Grundrechten geht, seit geraumer Zeit nicht mehr selbstverständlich.

Das geplante Gesetz ist also nicht nur deswegen von Bedeutung, weil es die Pressefreiheit stärkt, sondern weil es ein erstes Gesetz ist gegen einen starken Trend in der Politik der inneren Sicherheit: Die Grundrechte werden seit vielen Legislaturperioden vom Gesetzgeber nicht gestärkt, sondern eingeschränkt. Das neue Gesetz, das nun ins Kabinett eingebracht wird, ist also ein liberales Goldkorn in der bisher eher tristen Politik der schwarz-gelben Koalition.

Einschüchterung von Informanten

"Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit" heißt das Projekt: Diesen Namen verdient es freilich nicht, wenn die anderen Mittel und Methoden des Staates, auf journalistische Informationen zuzugreifen, erlaubt bleiben. Es ist ein Witz, wenn zwar nicht die Redaktionsräume, aber sehr wohl online die Computer durchsucht werden dürfen - und wenn via Vorratsdatenspeicherung jederzeit festgestellt werden kann, mit wem ein Journalist Kontakt hatte.

Wenn jede elektronische Kontaktaufnahme von oder zu einem Pressevertreter längere Zeit rückverfolgbar ist, muss man kein Datenschützer und kein Presseverbandsfunktionär sein, um zu erkennen, was das bedeutet: Einschüchterung von Informanten. Das heißt: Bei der vom Verfassungsgericht am 2. März 2010 angeordneten Neufassung des Vorratsdatenspeicherungsgesetzes muss der staatliche Zugriff auf die Kommunikationsdaten von Journalisten verboten werden.

Pressefreiheit verträgt keinen Beißkorb: keinen, den der Staat ihr anlegt; und erst recht keinen, den der Journalismus sich selbst anlegt, aus finanziellen oder sonstigen Zwängen. Aber das ist wiederum ein anderes Kapitel. Pressefreiheit soll man nicht nur fordern, man soll sie auch praktizieren.

© SZ vom 06.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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