"Germany's Next Topmodel":Aufhören, wenn es am besten ist

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Sieben Jahre lang hat Heidi Klum danach gesucht, manchmal mit peinlichem Ergebnis. Nun ist es endlich gelungen, ein Nachwuchs-Model von womöglich internationalem Format zu finden: Die 17-jährige Luisa Hartema ist ein würdiges "Germany's Next Topmodel". Klum täte gut daran, die Show damit zu beenden.

Ruth Schneeberger

Große Preisfrage: Was ist aus den bisherigen Gewinnerinnen der angeblichen Model-Casting-Show Germany's Next Topmodel - by Heidi Klum auf Pro Sieben geworden? Alles Mögliche - nur keine echten Models.

Germany's Next Topmodel
:"Die hat der liebe Gott geküsst"

15.000 Bewerbungen, 47 Kandidatinnen, eine Luisa: Mit dem Sieg für die 17-Jährige Schülerin geht die siebte Staffel von Germany's Next Topmodel zu Ende. Justin Bieber und Beth Ditto feiern mit.

Zumindest nicht in dem Sinne, dass sie außerhalb des Senderuniversums, außerhalb der Boulevardmedien oder gar außerhalb von Deutschland eine Chance hätten, Laufsteg-Karriere zu machen. Wohlgemerkt: Für Models ist das eigentlich das Ziel, international erfolgreich zu sein, auf den Shows der großen Designer zu laufen, exklusive Kleider zu präsentieren, von Hochglanzmagazinen zu lächeln und sich auf Werbeplakaten neben teuren Produkten zu räkeln.

Klums "Mädchen" präsentieren sich stattdessen bis auf einzelne Modenschauen vor allem in Weiterverwertungsshows des Senders als Backstage-Moderatorinnen (Rebecca Mir), halten ihr Gesicht in der Pause zwischen Werbepause und Programm für Pro Sieben in die Kamera (Sara Nuru), tingeln noch eine Weile durch peinliche Formate (Gina-Lisa Lohfink) oder tauchen einfach nie wieder auf der Bildfläche auf (Jennifer Hof). Die letzte Gewinnerin (Jana Beller) hatte schon kurz nach dem Sieg keine Lust mehr auf das Business und wird seither von derjenigen als Gesicht der Show vertreten, die sie zu Unrecht auf den zweiten Platz verwiesen hatte. Peinlich war das für Heidi Klum und ihre Mannen, von einer 20-Jährigen so vorgeführt zu werden, wo sie doch angeblich den jungen Dingern die ganze Welt zu Füßen legen. Peinlich auch, dass seit Beginn der Staffel vor sieben Jahren noch nie eine Model-Anwärterin gefunden wurde, die wirklich das Zeug zum Topmodel hatte. Obwohl so intensiv danach gesucht und noch viel intensiver darauf vorbereitet wird, öffentlichkeitswirksam, unter vielen Tränen, versteht sich.

Das könnte nun ausnahmsweise anders werden. Die junge Frau, die am Donnerstagabend live in der Lanxess-Arena in Köln vor 15.000 Gästen zur Siegerin der siebten Staffel erklärt wurde, scheint von anderem Format zu sein als ihre Vorgängerinnen, die meist eher nach persönlichem Geschmack, nach Show- und Entertainmentgesichtspunkten, nach Haarfarbe oder auch sehr gerne danach ausgesucht wurden, wie sehr sie sich für das Format "entwickelt", sprich: der Jury unterworfen hatten.

Luisa Hartema aus Leer setzte sich als Favoritin gegen die drei anderen Finalistinnen Kasia, Sarah-Anessa und Dominique durch. Und in der Tat sieht sie mit ihrer hochgewachsenen, klassisch schlanken Modelfigur und den besonders langen Beinen ohne irgendeinen erkennbaren Makel nicht nur jetzt schon aus wie ein echtes Model. Die starken Augenbrauen, die zarte Nase, die verschmitzten Augen, die breiten Wangenknochen und vollen Lippen, umrahmt von reichlich blondem Haar: Ein Gesicht mit starkem Wiedererkennungswert, ohne dabei aufdringlich zu sein oder allzu sehr von der Mode abzulenken, die es in einem solchen Job krönen soll.

So sieht die Siegerin aus: Luisa Hartema nach ihrem Erfolg im Finale der Castingshow Germany's Next Topmodel. (Foto: dapd)

Außerdem scheint die 17-jährige Ostfriesin trotz ihres jugendlichen Alters schon einen einigermaßen gefestigten Charakter zu haben, strahlte während der Staffel stets Vernunft aus und verbreitete, komplett allürenfrei, meist eine große Ruhe unter den Kandidatinnen und bei fast jedem Auftritt. Wofür - der nächste Punkt - das Publikum sie geradezu liebte. In der Abschluss-Show führte das zu netten Szenen: Bei jedem Auftritt von Luisa wurde laut gejubelt, so laut, dass die schüchterne Blondine es selbst kaum glauben konnte. Das war nicht gespielt, sondern einer der seltenen authentischen Momente in der Show. Heidi Klum bescheinigte ihr daraufhin zu Recht: "Vielen sagt man ja, sie sollen auf dem Boden bleiben. Du hingegen könntest ruhig ab und zu ein bisschen abheben."

Immer schon hat die GNTM-Jury nach genau diesem Typ gesucht: Groß, schlank, blond, kurzhaarig, von edler Gestalt und leicht elitärer Ausstrahlung, dabei aber bodenständig und auch noch ein kleines bisschen jugendlich-naiv sollte sie sein. Ein ganz ähnlicher Typ war die Siegerin der ersten Staffel, Lena Gercke, die auch die Einzige war und blieb, die mit ihrem auffallend hübschen Gesicht zumindest in Deutschland einigermaßen erfolgreich wurde. Vom Typ her in diese Schublade gesteckt wurde auch Jenny Hof, die aus ansonsten unerfindlichen Gründen zur Siegerin der dritten Staffel gekürt wurde, sich aber danach nie wieder sehen ließ. Außer Heidi Klum selbst, die einen Narren an der Blondierten gefressen hatte, fand schon während der Sendung so gut wie keiner der Kunden Gefallen an der leicht verstockten Kandidatin.

Nun wurde also endlich der lange ersehnte Prototyp gefunden - ein Glücksfall für die Jury, denn Luisa hat anscheinend tatsächlich Talent für eine etwas größere Karriere abseits des üblichen Showmiefs. Sie räumte während der Staffel ständig neue Jobs ab und wird wohl auch noch in fünf Jahren ein Typ sein, der die Modewelt begeistert. Damit könnte sie die Sendung adeln.

Doch sie wirkt zugleich so sympathisch, dass ihre Fangemeinde schon vor dem Staffelende über Facebook öffentlich darum bettelte, Luisa möge doch bitte nicht siegen - damit ihr der weitere Weg durch den Klum'schen Kosmos erspart und sie ein nettes, unabhängiges Mädchen bleibe, das ohne Knebelverträge und Vereinnahmungsaktionen vielleicht selbst ihren Weg machen könnte. Ohne GNTM.

Was für ein Armutszeugnis für die Show, wenn selbst GNTM-Fans ihrer Favoritin wünschen, sie möge der Sendung unbeschadet entkommen. Die Macher sollten sich gut überlegen, ob sie das Format wirklich so fortführen wollen. Es gibt inzwischen Studien, die belegen, dass selbst kleine Mädchen durch das unnatürliche Frauenbild der Sendung schon ihre Essgewohnheiten verändern. Das Ziel, "Germany's Next Topmodel" zu finden, wurde ja jetzt vielleicht erreicht. Und Heidi Klum ist ohnehin in den USA viel beliebter als sie es in Deutschland mit ihrer Show jemals war. Warum also nicht aufhören, wenn es gerade inhaltlich am besten ist?

Die finale Show jedenfalls war abseits der strahlenden Gewinnerin erwartbar und eher langweilig. Selbst Adam Levine als Sänger von Maroon 5, Beth Ditto von Gossip und die Voice of Germany-Sangescastingshow-Gewinnerin Ivy Quainoo, ihres Zeichens eigentlich alles veritable Sänger und/oder Entertainer, blieben merkwürdig blutleer an diesem Abend, ihre Auftritte ohne jeden Schwung.

Da konnte einer umso heller glänzen, für den wohl die Mehrzahl der kleinen Mädchen in die Arena gereist war: Justin Bieber, diesmal ohne Pony, dafür mit Michael-Jackson-Moonwalk-Moves, wurde als Stargast des Abends gefeiert und als einziger Künstler auf der Couch neben Heidi Klum platziert, die ihm bescheinigte, ihr sei bei dem Auftritt des 18-Jährigen "ganz heiß" geworden. Im Anschluss wurde er noch für die Sendung Red! als "größter Künstler des Planeten" gepriesen und als solcher von Annemarie Warnkross, die in einem quietsch-lila Dress mit Riesen-Ausschnitt und eingerolltem Haar gänzlich gegen ihren Typ gestylt war, unerträglich lange auf Englisch interviewt. Das Gespräch wurde erst beendet, als ein Leibwächter, der neben dem Kleinen wie sein Großvater wirkte, einzelne wild gewordene Zahnspangen-Mädchen von dem berühmten US-Teenager wegreißen musste, die der wie Magneten anzuziehen schien. Da staunte Bieber mit offenem Mund über das Temperament der weiblichen deutschen Fans, die einfach auf die Bühne sprangen, um ihn wie von Sinnen zu herzen.

Apropos Styling: Auch Heidi Klum hätte für diesen Abend besser beraten werden sollen. Im bodenlangen Glitzerkleid zeigte sie zwar viel glänzende Haut, dafür aber eine Taille, die sich an genau den falschen Stellen nach außen wölbte, da halfen auch keine verdeckenden Armbewegungen. Das Kleid war für ein ehemaliges Model, das andere in ihrer Erscheinung beraten und bewerten will, erstaunlich unpassend gewählt.

Aber wir wollen nicht allzu oberflächlich werden: Gut, dass nun endlich eine Siegerin gefunden wurde, die echtes Potential verspricht. Noch besser wäre, wenn die Show sich damit nun selbst erledigt hätte. Wie es aktuell in der Gala heißt, ist das israelische Topmodel Bar Refaeli in Verhandlungen mit dem Sender über die Nachfolge von Heidi Klum eingetreten. Arbeitstitel der Sendung: Million Dollar Model. Pro Sieben dementierte die Meldung zwar, aber im Jahr der großen Moderatoren-Abgänge würde den Zuschauer nach Thomas Gottschalk und Harald Schmidt auch der oft schon beschworene Abgang von Heidi Klum aus dem Programm nicht weiter wundern. Zumal die Quote schwächelt.

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