Watergate-Serie "Gaslit" auf Starzplay:Dumpfbacken halt

Lesezeit: 3 min

Sean Penn als John Mitchell und Julia Roberts als Martha Mitchell. (Foto: Hilary Bronwyn Gayle/Starz via AP)

Julia Roberts und Sean Penn als Power Couple: Die Serie "Gaslit" arbeitet den Watergate-Skandal aus einer neuen Perspektive auf - und gruppiert jede Menge schräger Figuren ums Oval Office.

Von Tobias Kniebe

Kriminelle Dumpfbacken aus dem Umfeld der Geheimdienste werden angeheuert, um den Demokraten im Wahlkampf 1972 Schmutz anzuhängen. Sie verüben Einbrüche, finden aber nichts und schaden im Grunde niemandem, werden aber ertappt. Die Demokraten verlieren die Wahl gegen den uneinholbaren Richard Nixon trotzdem - nur dumm, dass Nixon die paranoide Aktion überhaupt erst in Auftrag gegeben hat. Am Ende der allumfassenden Idiotie muss der Präsident zurücktreten. Das war, in Kürze, Watergate.

Betrachtet man das Ganze mit dem irrsinnsgestählten Blick der Post-Trump- und der laufenden Putin-Jahre, fragt man sich vor allem eins: Wie konnte daraus ein Mythos des Journalismus, der amerikanischen Zivilgesellschaft und des Systems der Checks and Balances werden? Da scheitert ein Gauner im höchsten Staatsamt an seiner fundamentalen Blödheit - und der aller anderen um ihn herum. Robert Redford und Dustin Hoffman, die das als Reporter in dem Film "All The President's Men" entdecken und dabei vom Glauben abfallen, wirken heute wie Unschuldslämmer aus einer anderen Zeit.

Kann man das alles trotzdem noch einmal erzählen, aber für die zynische Gegenwart? Bei dieser Frage stießen Robbie Pickering und seine Mitstreiter beim Aushecken der Serie Gaslit auf die Figur von Martha Mitchell, Ehefrau des damaligen Justizministers John Mitchell. Der war nicht nur Richard Nixons enger politischer Freund, sondern in Sachen Watergate so etwas wie die Oberdumpfbacke - er leitete das Komitee zur Wiederwahl Nixons, in dem die ganzen illegalen Aktionen geplant wurden.

Sean Penn spielt John Mitchell, fast nicht erkennbar unter schwerer Doppelkinn-Maske, als machthörig, korrupt und schwach

Martha wiederum war durch Fernsehauftritte bekannt, in denen sie sich als meinungsstarke Matrone aus Arkansas inszenierte und weder von ihrem Mann noch von Nixon (dessen Krieg in Vietnam sie ablehnte) einen Maulkorb verpassen ließt. Sie hatte genug Einblick, um die Watergate-Einbrecher sofort mit ihrem Mann in Verbindung zu bringen - der fürchtete sie im entscheidenden Moment mehr als alle Reporter Amerikas. Sie wurde von Bodyguards ein paar Tage lang in einem Hotelzimmer festgesetzt. Und redete dann doch.

Dieses wirklich sehr seltsame Paar zum Zentrum einer Serie zu machen, ist ein echtes Wagnis - und hat sich insofern schon mal ausgezahlt, als Julia Roberts auf die Rolle der Martha Mitchell angesprungen ist. Beide kommen aus den Südstaaten, das verbindet schon mal. Die Werbung verkauft das Ganze jetzt als Story einer starken Frau, die sich "nicht mundtot machen lässt" und im entscheidenden Moment moralisches Rückgrat beweist - eine echte, leider bisher ziemlich missachtete amerikanische Heldin.

Well, diese Geschichte erzählt Gaslit glücklicherweise nicht. Denn wie bitte sollte es mitten in Nixons Kriminellenclan moralisches Rückgrat geben? Sean Penn spielt John Mitchell, fast nicht erkennbar unter schwerer Doppelkinn-Maske, als machthörig, korrupt und schwach, eine tragische Figur. Martha wiederum will von seinen Fehlern wenig wissen, spielt sich als Retterin auf und reitet ihren Mann mit jeder ihrer Aktionen noch tiefer ins Schlamassel. Sie wird von einem unstillbaren Geltungsdrang getrieben, den die Serie auch nicht schönredet. Loyalität kennt diese Frau am Ende nur mit sich selbst.

Während die Nixons ewig keinen Sex mehr hatten, geht es bei den Mitchells noch immer ab

Aber, und das ist gewaltige Sprung, den Gaslit versucht und der dann auch Schauspieler von diesem Kaliber angezogen hat - die beiden lieben sich halt trotzdem. Und hassen sich, und brauchen sich, und benutzen sich, und fürchten sich, geben sich gegenseitig schallende Ohrfeigen und begehren sich doch im nächsten Moment. Während Pat und Richard Nixon schon ewig keinen Sex mehr hatten, da kichern die Mitchells und gratulieren sich gegenseitig, geht es bei ihnen immer noch ab.

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Um dieses Power Couple, das sich gegenseitig auf tragische Fallhöhe hochschaukelt, gruppiert die Serie dann jede Menge kleinere Dumpfbacken herum, zum Teil mit großem komischen Potenzial. Denn es wird halt doch die ganze Watergate-Geschichte noch einmal erzählt: vom Anheuern der kriminellen "Klempner" über den tatsächlichen Einbruch (Genre: Gaunerkomödie der Inkompetenzen) bis zur Story der porschefahrenden Dumpfbacke John Dean (sehr komisch: Dan Stevens), Anwalt im Weißen Haus, der zum Sündenbock auserkoren und mit Hilfe einer toughen Stewardess, die er zwischendurch heiratet, dann doch zum Whistleblower wird.

Insgesamt glaubt man kaum, was für Figuren da rund ums Oval Office herumsprangen, etwa der kleine G. Gordon Liddy mit Macho-Schnurrbart, stechendem dunklen Irrenblick und pathetisch-lyrischer Opferbereitschaft in jedem seiner Sätze (Shea Whigham). Man hält dieses Männchen erst für eine Fabelfigur im Sinne des komischen Druckausgleichs, muss dann aber feststellen, dass der ehemalige FBI-Agent und Chef der Watergate-Einbrecher offenbar wirklich so war.

Am schönsten ist die Lässigkeit der Inszenierung in vielen Szenen, die nicht das Drama der Mitchells betreffen oder Richard Nixon selbst, der aber nie richtig ins Bild kommt. Fast alle kleineren Figuren haben fundamentale Scheiße gebaut und wissen es auch, alle verfolgen wie in Zeitlupe, wie ihr Kartenhaus unausweichlich zusammenbricht, und alle wissen, dass es genau genommen völlig überflüssig war. Dumpfbacken halt. Die hier aber auch komplex sein dürfen und, ja, doch, nicht alle gänzlich unliebenswert.

Gaslit , auf Starzplay bei Amazon Prime.

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