US-Fernsehpreis:Wandlungen bei den Emmy Awards

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Leslie Jones bei der Bekanntgabe der Emmy-Nominierungen (Foto: AP)

Bei den Nominierten für die diesjährigen Emmy Awards stechen zwei hervor - ein deutscher Beitrag und Reese Witherspoon.

Von Claudia Tieschky und Jürgen Schmieder

Dass eine deutsche Serie acht Mal für den wichtigsten amerikanischen Fernsehpreis Emmy nominiert wird, ist ein Ereignis - erst recht, wenn es um die Selbstbefreiung eines jüdischen Mädchens aus ihrer Herkunftswelt geht. Die vierteilige Miniserie Unorthodox hat am 20. September beste Chancen auf den Preis. Die Netflix-Produktion erzählt von dem New Yorker Mädchen Esty, das im Kreis der ultraorthodoxen Satmarer Gemeinschaft im Stadtteil Williamsburg aufwächst. Esty will ein gutes, demütiges Gemeindemitglied sein, aber ist an allen Ecken und Enden und besonders in ihrer arrangierten Ehe unglücklich. Aus der Repression durch die Regeln und den wachsenden Fortpflanzungsdruck bricht sie aus und flieht nach Berlin. Es wird viel jiddisch gesprochen in Unorthodox , und Shira Haas als Esty gelingt eine ebenso direkte wie herzzerreißende Darstellung einer jungen Frau vor der Wahl zwischen Selbstaufgabe und Heimatlosigkeit. Unorthodox entstand nach dem autobiografischen Bericht der Wahl-Berlinerin Deborah Feldman mit der Showrunnerin Anna Winger, die mit 17 von New York nach Berlin zog und unter anderem die Serie Deutschland 83 (plus Fortsetzungen) schrieb. Emmy-Nominiert für die Regie bei Unorthodox ist Maria Schrader, die in Deutschland 83 die Spionin Leonora Rauch ist und sich längst als Regisseurin etabliert hat ( Vor der Morgenröte).

Nominiert für Unorthodox: Maria Schrader kennt man als Schauspielerin, aber sie hat sich längst Regisseurin etabliert. (Foto: imago images/Future Image)

Unorthodox bekam die ganze Aufmerksamkeit der New York Times; in Deutschland entwickelte sich die Serie zu einem Erfolg bei Netflix, wurde aber mal wegen ihrer Unterhaltsamkeit kritisiert, mal wegen ihrer Handlungsdichte, mal löste sie die Sorge aus, hier könnte Antisemiten Material geboten werden. Die Jüdische Allgemeine wiederum stellte klar, dass die Innensicht auf die Satmarer zwar offensichtlich als "wahnsinnig faszinierend" empfunden werde, aber eine Facette jüdischen Lebens zeige, die "für die gesamte jüdische Gegenwart keineswegs repräsentativ ist". Vor allem aber ist Unorthodox ein ungeheuer starkes Drama. Die Television Academy, die die Emmys vergibt, würdigt das mit Nominierungen in den Kategorien "Outstanding Limited Series", Regie, Kostüme, Casting, Titelmusik und Komposition, beste Hauptdarstellerin und bestes Buch. Eine der am zärtlichsten gezeichneten Figuren in dieser von Frauen dominierten Produktion übrigens ist ein todtrauriger, hilfloser Ehemann.

Die Reaktion der Geschmähten klingt zunächst einmal verblüffend. "Ich platze vor Freude", schrieb Reese Witherspoon bei Twitter, nachdem die Nominierten für die Emmy-Verleihung bekannt gegeben worden waren. Nur: Sie ist nicht als Schauspielerin nominiert, obwohl viele in Hollywood spekuliert hatten, dass sie für ihre Rollen in den Serien Big Little Lies (HBO), The Morning Show (Apple TV) und Little Fires Everywhere (Hulu) gleich drei Mal gewürdigt werden könnte.

(Foto: imago images/Runway Manhattan)

Ihre Kolleginnen aus diesen Produktionen - Jennifer Aniston, Meryl Streep, Kerry Washington und Laura Dern - sind nominiert, weshalb die überschwängliche Freude ("absolut verdient, ich wünschte, ich könnte euch alle umarmen") erstmal so klingt wie die typischen Floskeln einer Enttäuschten. Das stimmt jedoch nicht. Gewiss, Witherspoon hätte sämtliche Nominierungen verdient gehabt, und gerade in Little Fires Everywhere agiert sie herausragend - vielleicht muss man diese "Snubs" (so nennen es die Amerikaner, wenn jemand trotz großartiger Kunst nicht nominiert wird) in einem anderen, größeren Zusammenhang betrachten.

Witherspoon, 44, ist eine grandiose Schauspielerin, sie ist dafür bereits mit einem Oscar (für Walk the Line) und einem Golden Globe (für die erste Staffel von Big Little Lies) ausgezeichnet worden. Ihre Bedeutung für die Unterhaltungsindustrie geht jedoch mittlerweile weit über die Arbeit vor der Kamera hinaus. Sie ist Produzentin, mit ihrem Unternehmen Hello Sunshine will sie vor allem Frauen eine Stimme geben, die davor keine bekommen haben im Patriarchat von Hollywood. Die im Mai verstorbene Regisseurin Lynn Shelton zum Beispiel, die post mortem für Little Fires Everywhere nominiert ist. Die Designerin Amy Wells, die Komponistinnen Isabella Summers und Ingrid Michaelson oder Regisseurin Mimi Leder, die sich alle Hoffnungen auf einen Emmy machen dürfen.

Witherspoon ist eine der mächtigsten Personen in Hollywood, und dafür wird sie gewürdigt. Die drei Hello-Sunshine-Produktionen sind für insgesamt 18 Emmys nominiert. "Was für eine Ehre", schreibt sie bei Twitter: "Ich bin so stolz auf unser Team, das hinter den Kulissen unermüdlich arbeitet, um diese Geschichten zum Leben zu erwecken." Die Chefin dieses Teams, das ist Witherspoon. Die Nicht-Nominierungen als Schauspielerin wird sie locker verschmerzen, sie hat Wichtigeres zu tun.

© SZ vom 30.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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