Bozen-Krimi im Ersten:Bergsee als Mordwaffe

Lesezeit: 2 min

Manchmal verdeckt sie die schöne Landschaft: Kommissarin Sonja Schwarz (Chiara Schoras) muss einen Mafia-Killer stoppen. (Foto: ARD Degeto/Marco Nagel)

Wer Südtiroler Provinz-Exotismus fürchtet, der wird auch beim neuen Bozen-Krimi der ARD schlottern müssen.

Von Fabian May

Mit Regionalkolorit gerät man leicht aufs Glatteis. Anfang 2015 etwa kam es für das ZDF zum sogenannten Dialekt-Debakel, als der Sender in der sonst sehr guten Nachkriegs-Miniserie Tannbach in einem oberfränkischen Dorf Oberbayerisch sprechen ließ. Auch der ARD-Regionalkrimi Kripo Bozen hatte beim Start im vergangenen Jahr größere Schwierigkeiten. Die Reihe handelt von der etwas ruppigen Frankfurter Kommissarin Sonja (Chiara Schoras), die sich zwecks Familienzusammenführung ins vermeintlich beschauliche Südtirol hat versetzen lassen. Ihr Mann Thomas (Xaver Hutter) hat dort die Hälfte eines verschuldeten Weinguts geerbt. Ferner ist das Skelett einer 15-Jährigen gefunden worden, mit der Thomas nach bisherigem Stand der Ermittlungen wohl etwas zu bekannt war. Die Kritiken waren: unfreundlich.

Nachdem Teil eins schlecht bewaffnet ins Sperrfeuer der Kritiker geschickt worden und darin umgekommen ist, hat die ARD nun einige Korrekturen vorgenommen. Kripo Bozen heißt jetzt Der Bozen-Krimi. Naja. Die anderen Veränderungen machen es aber tatsächlich besser.

ARD-Serie "Die Stadt und die Macht"
:Na bitte, es geht doch mit den deutschen Serien

Der hervorragend besetzte Sechsteiler "Die Stadt und die Macht" ist Psychodrama, Polit-Thriller und Entwicklungsgeschichte in einem.

TV-Kritik von Evelyn Roll

Der Fall um das Mädchenskelett wird quereinsteigerfreundlich fortgesetzt: Der Verdacht gegen Thomas und gegen einen aufstrebenden Politiker (Heio von Stetten) erhärtet sich. An der Heimatfront macht die Schwiegermutter (Lisa Kreuzer) Druck, weil die Frau Commissario ihren Mann nicht raushauen kann.

Der naturschöne Bergsee wird zur Mordwaffe

Regie führt diesmal der Krimi-Routinier Thorsten Näter. Seine Inszenierung spielt in puncto Tempo und Frische in der Liga guter Tatorte. Auch Commissario Zanchetti (Tobias Oertel) sorgt für launige Kollisionen: Der sanfte Macho, mit dem Sonja im ersten Teil getändelt hat, ist plötzlich ihr Vorgesetzter und spielt mit Freude den Prellbock für die Alleingänge der befangenen Kommissarin.

Die wohl modernste Errungenschaft der Neuauflage: Es gibt jetzt zwei Fälle pro Film. Der Skelett-Fall, episodenübergreifendes Langzeitprojekt der Bozener Kripo, wird flankiert von kleineren Fällen. Die Mafia (Thomas Sarbacher) entdeckt in Südtirol kreative Vertriebswege für Drogen, zwei Tagelöhner (Roeland Wiesnekker, Robert Gallinowski), die "den Jackpot" wittern, legen sich mit den Falschen an - und das Bergbauernleben begünstigt weiterhin menschliche Tragödien.

Wer sich vor Südtiroler Provinz-Exotismus fürchtet, wird auch diesmal schlottern müssen. Hier wird Espresso und Wein getrunken, dort spielt einer der naturschönen Bergseen als Mordwaffe mit. Die Gattin des verdächtigen Politikers entblödet sich, der Frau Commissario offen zu drohen - wie in vordemokratischen Zeiten. Und die Kriminaler selbst verhören ihre Verdächtigen in der Amtsstube vor Blümchentapete und Antik-Lampe.

Aber neben den Klischee-Altlasten gibt es eben nun auch viel Gutes zu sehen: An keiner Stelle sinken die beiden neuen Bozen-Krimis unter die Marke "solide" ab. Die Figuren dürfen eine gewisse Mehrdimensionalität entwickeln. Und die Szenen mit dem neuen Vorgesetzten Zanchetti und seinem unterlippigen Teddybär-Machismo wecken selbst in harten Männern ein warmes Anschmiege-Bedürfnis. Da muss Tobias Oertel gar nicht kokettieren, wie er das im SZ-Gespräch tat: Leider komme es manchmal vor, dass die Schauspieler beim Dreh die Landschaft verdecken. Gut so!

Der Bozen-Krimi, ARD, 4. und 11. Februar, 20.15 Uhr

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: