"Blackout" auf Sat 1:Ins Schwarze

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Krisenstabsleiterin Michelsen (Marie Leuenberger) sucht mit dem Informatiker Manzano (Moritz Bleibtreu, links) und Kriminalhauptkommissar Hartlandt (Heiner Lauterbach) den Code des fatalen Virus. (Foto: Joyn/W&B Television, Gordon Timpen)

Was passiert, wenn der Strom ausfällt? In ganz Europa, dauerhaft. "Blackout" macht aus dieser Frage einen raffinierten Thriller.

Von Alex Rühle

Dieser Text wurde zur Erstausstrahlung von Blackout im Oktober 2021 auf Joyn veröffentlicht.

Drei Szenen, rasant montiert: Ein Novemberabend über Bozen, der Informatiker Pierre Manzano ist im Auto auf dem Weg nach Hause, unter ihm, im Dunkel des Tals, leuchtet die Stadt wie eine offene Truhe voller Edelsteine. Eine Achterbahn in einem Vergnügungspark in Leipzig, Vater und Sohn freuen sich auf die Loopingfahrt. Frauke Michelsen, eine Mitarbeiterin des Innenministeriums in Berlin, läuft zum Hauptbahnhof, um ihre beiden Töchter abzuholen, die von den Großeltern in Hamburg in einen ICE gesetzt worden sind. Plötzlich versinkt der Hauptbahnhof in Dunkelheit. Schnitt. Die Achterbahn bleibt im Looping stecken. Schnitt. Manzano rollt nach Bozen rein, als schlagartig alle Straßenlaternen und Ampeln ausgehen. An einer Kreuzung rauscht er in einen Laster. Die Kamera zieht hoch über die Stadt, Südtirol, Italien, Europa, man erkennt die Konturen des Kontinents am Glitzersaum der Lichter. Und dann, zack, zack, zack, verschwindet in Sekundenschnelle ein Länderumriss nach dem anderen in der Dunkelheit.

Was passiert, wenn der Strom ausfällt? Nicht kurz, nicht lokal, sondern in ganz Europa, dauerhaft. Wie lange ist dann noch so etwas wie friedliche Normalität aufrechtzuerhalten? Kein Wasser mehr, kein Benzin (muss aus den Tanks in die Zapfsäulen hochgepumpt werden), in allen Supermärkten fällt die Kühlung aus, es gibt auch keinen Lebensmittelnachschub. Die Krankenhäuser haben Notstromaggregate, die Kernkraftwerke auch, aber mit denen kann man auch nur ein paar Tage überbrücken, und wie sollen danach die Reaktoren weitergekühlt, die Herz-Lungen-Maschinen am Laufen gehalten werden?

Ab dem Moment des Stromausfalls wird jedes Leben spannend, denn es geht plötzlich um alles

Marc Elsberg hat dieses Szenario 2012 in "Blackout" durchdekliniert, einem Thriller, der so gut recherchiert war und all das komplexe Zeug mit den Stromkreislaufstrukturen und deren immensen Schwachstellen dermaßen gekonnt auffächerte, dass die Zeitschrift Bild der Wissenschaft das Werk zum "spannendsten Wissensbuch des Jahres" kürte.

Im Grunde wird ja ab dem Moment des Stromausfalls jedes Leben spannend, denn es geht plötzlich um alles. Für jeden. Wo kriegt man noch Essen her? Wer dreht durch? Wem kann man trauen? Weshalb sich fast automatisch eine Cliffhanger-Struktur einstellt, die wiederum nach einer Verfilmung des Ganzen ruft. Die kann man nun auf Joyn sehen, sechs Teile, in denen man vor allem Pierre Manzano durch den rasant fortschreitenden Zerfall folgt: Manzano merkt sofort, dass das Ganze ein Anschlag sein muss, und will die Polizei warnen, die daraufhin ihn verdächtigt und jagt.

Die Drehbuchautoren Kai-Uwe Hasenheit und Lancelot von Naso haben die 800 Seiten raffiniert gestrafft, das Ganze ist außerdem hervorragend besetzt: Moritz Bleibtreu ist ziemlich perfekt als rauer, ehrlicher Manzano, der irgendeine Verbindung zu den Terroristen zu haben scheint, aber vor lauter Verfolgungsaction kaum je Luft hat, mal in Ruhe zu erklären, was da passiert sein könnte. Vor allem aber ist es eine qualvolle Freude, Marie Leuenberger zuzusehen. Die spielt Frauke Michelsen, die in dem Moment, als ihre kleinen Kinder im ICE auf offener Strecke stehen bleiben, zur Leiterin des Krisenstabs ernannt wird und ihre mütterliche Angst nun unter Landesrettungsfuror verstecken muss. Schließlich laufen im Hintergrund alle Atomkraftwerke weiter.

Blackout, Sat 1, immer donnerstags in Doppelfolgen, 20.15 Uhr.

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