Neuer "Bild"-Chefredakteur:Im besten Sinne unauffälliger

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Johannes Boie ist nicht mehr Chefredakteur bei der "Bild". (Foto: Susanne Schmidt/dpa)

Johannes Boie ist mit 37 Jahren neuer Chefredakteur der "Bild". Was kann er bewirken?

Von Aurelie von Blazekovic

Bild-Chef sein bedeutete in den Jahren von Julian Reichelt General sein. Mit dem Feldstecher aus dem Springer-Turm über Deutschland blicken, die Reporter zu Geschichten anpeitschen. Journalismus als Schlacht. Nun ist Johannes Boie, Reichelts Nachfolger, kein Kriegsreporter, sondern ein profilierter Digitaljournalist. Das muss nicht bedeuten, dass der neue Chefredakteur von Deutschlands auflagenstärkster Tageszeitung keinen soldatischen Zug in sich trägt. Doch Boie ist im besten Sinne unauffälliger als Reichelt.

Mit 37 hat er die mächtigste Position in Deutschlands Boulevardjournalismus erklommen. Während sein Vorgänger nach unten fährt, ist er mit dem Bild-Aufzug ganz oben angekommen. "E-i-C" für editor in chief nannte Reichelt sich selbst bei Twitter, bei Boie steht dort nun ein bodenständiges "Chefredakteur BILD".

Für mehr Bodenständigkeit, mehr Anstand im boy's club des Springer-Spitzenpersonals, ist Boie eingewechselt worden. Er verbinde "journalistische Exzellenz mit modernem Führungsverhalten", so der Konzern. Den "Weg der kulturellen Erneuerung", den Axel Springer vornehmlich nach dem schnell abgehandelten Compliance-Verfahren gegen Julian Reichelt im Frühjahr eingeschlagen hat, muss nun Boie anführen. Doch wie viel ein Boie im Bild-Kosmos überhaupt ausrichten kann, muss sich zeigen.

Bei der Süddeutschen Zeitung, wo er als Online-Praktikant anfing, dann als Volontär und Redakteur arbeitete, war er maßgeblich an der Entwicklung der digitalen Ausgabe der SZ und eines Paid-Content-Modells beteiligt. Später, als Chefredakteur der Welt am Sonntag, sorgte er für eine aufgeräumtere Zeitung. Eine, die sich neuerdings damit brüsten kann, die letzte echte Sonntagszeitung im Qualitätsjournalismus zu sein.

Wobei man beim größten Unterschied zu Bild wäre. Denn auch wenn Springer-Medien in der Kritik gerne zu einem laut schreienden Brei vermengt werden, ist der Unterschied zwischen Journalismus und Meinungsjournalismus bei Welt und Welt am Sonntag und dem aggressiven Boulevard der Bild himmelhoch.

Boie gilt, besonders im Vergleich, als eher vorsichtig und überlegt, politisch dem Welt-Konservatismus entsprechend. Also der Sorte Haltung, die nicht wie Bild wegen allem Möglichen Alarm schlägt (Griechenland, Drosten), sondern sich gezielter von links abgrenzt. In seinem jüngsten Kommentar in der Welt am Sonntag warnt Boie vor Bündnissen mit einer SED-ähnlichen Linken in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern.

Verdanken kann Boie seinen Aufstieg bei Springer nicht zuletzt Mathias Döpfner. Der Vorstandsvorsitzende hatte ihn 2017 von der SZ in sein Büro nach Berlin geholt, dort wurde Boie sein Assistent und Büroleiter. Ein gutes Verhältnis, das sich für Boie jetzt bezahlt gemacht hat. Doch von Döpfner stammt eben auch dieser Spruch über Bild: Wer mit ihr im Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihr im Aufzug nach unten.

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