Dafür, dass sich Konflikte zwischen Medienhäusern manchmal in der Berichterstattung ausdrücken, fand man in diesem Jahr ein gutes Beispiel. Ende Februar druckte der Spiegel seine Titelgeschichte "Die Brandstifter", in der kritisch mit der Bild-Zeitung umgegangen wurde. Im Mai ließ das Springer-Blatt dann den Medienwissenschaftler Norbert Bolz unter dem Titel "Der Spiegel ist kastriert" ausführlich über den Niedergang des Hamburger Nachrichtenmagazins schreiben.
Nun gibt es wieder einen prominenten Fall. Auf der einen Seite steht wieder Bild - auf der anderen diesmal die ARD. Und egal, wie es ausgeht, ist jetzt schon klar, dass sich die ARD, was ihre öffentliche Wahrnehmung angeht, bereits ordentlich ins Bein geschossen hat.
Ausgangspunkt ist eine Artikelserie, an der Bild offensichtlich schon eine Weile arbeitet. Das Blatt hat seit Mai eine Reihe von Anfragen an die ARD gestellt, 50 bis 60 Fragenkataloge sollen es nach Auskunft eines ARD-Managers gewesen sein zu rund 20 Themen. Die Springer-Journalisten, vermutet ein hochrangiger ARD-Verantwortlicher, seien teilweise professionell beraten gewesen bei ihren Fragen. Sie hätten wie Wirtschaftsprüfer argumentiert. Deutlich werde eine sehr kritische Haltung der Bild-Leute zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Es geht dabei, natürlich, auch um die Verwendung von Gebührengeldern.
Bild hat auch früher schon immer wieder einmal gegen das Gebührenfernsehen und -radio gewettert. Weil der Axel Springer Verlag gemeinsam mit sieben anderen Verlagen (darunter auch der Süddeutsche Verlag, in dem die SZ erscheint) eine Wettbewerbsklage gegen die Tagesschau-App einreichte, wittern einige im Ersten ein Komplott.
Tatsächlich hat sich die ARD nun selbst zum Thema gemacht durch die Art und Weise, wie sie auf die Anfragen von Bild reagierte: Wie es scheint, ziemlich nervös. Von einer "virtuellen Medienredaktion" war zunächst die Rede, die wegen der zu erwartenden Bild-Kampagne gegründet worden sei und in der sich die ARD auf den Gegenschlag vorbereite. Die ARD ließ das dementieren oder äußerte sich nicht genauer.
Dann zitierte die Berliner Zeitung an diesem Mittwoch aus einem Papier, in dem die Ergebnisse eines Brainstormings für Bild-kritische Sendungen in ARD-Programmen festgehalten sind. Es ging unter anderem darum, welche Prominenten Angst vor der Boulevardzeitung haben. Zustande gekommen sei das Papier auf Beschluss der ARD-Intendanten, denen derzeit WDR-Chefin Monika Piel vorsitzt.
Man musste den Eindruck gewinnen, die ARD plane, sich mit kritischen Beiträgen auf allen Kanälen an der Bild-Zeitung zu rächen. Auf SZ-Anfrage nahm die ARD nun an diesem Donnerstag Stellung. Zum einen, indem ARD-Sprecher Stefan Wirtz erklärte, es gebe "keinen Beschluss der Intendantinnen und Intendanten der ARD für eine ,Anti- Bild-Kampagne'". Zum anderen, indem die Existenz eines Themenprotokolls bestätigt wurde.
Verantwortlich für das Papier ist WDR-Hörfunkdirektor Wolfgang Schmitz. Aus dessen Sicht stellt sich der Sachverhalt so dar: Es habe keine Anweisung der ARD-Intendanten für eine "virtuelle Medienredaktion" gegeben. Vielmehr habe er, um auf eventuell verzerrende Artikel von Bild reagieren zu können, die Radio-Medienredaktionen der Anstalten gebeten, Sendungsideen zu entwickeln.
So hätten sich die Kollegen, sagt Schmitz, überlegt, zu einer möglichen Pauschalkritik an der Vielzahl der ARD-Radiosender mit einer Call-In-Sendung zu reagieren, in der Hörer sich mit der Kritik auseinandersetzen können. Bei dem Brainstorming seien auch Themenvorschläge entstanden, wie man sich im Hörfunk bei Bedarf kritisch mit der Art der Berichterstattung von Bild auseinandersetzen könne.
In seiner Version, so muss man das verstehen, sind die Berichte gegen Bild nur ein Nebenprodukt der Gespräche gewesen. Wenn das so ist, warum die späte Aufklärung? In das Papier blicken lassen will der WDR nicht, öffentlich zitiert sind bisher lediglich Themenvorschläge, die sich dezidiert mit Bild beschäftigen.
Nach SZ-Informationen sollen sich mindestens die Süd-Intendanten, also Peter Boudgoust vom Südwestrundfunk (SWR) und Ulrich Wilhelm vom Bayerischen Rundfunk (BR), intern gegen Anti- Bild-Kampagnen ausgesprochen haben. Gleichwohl, auch das ist aus beiden Häusern zu erfahren, solle die ARD, sofern Bild Unwahres oder Falsches übers Erste verbreiten würde, mit Richtigstellungen im Programm kontern.
Die ARD-Vorsitzende Monika Piel soll ihre Kollegen Ende Juni in Würzburg über die zahlreichen Bild-Anfragen informiert und Maßnahmen diskutiert haben. Offenbar ging die Diskussion während der Sitzung sehr weit. Besprochen worden sein soll auch, wie die ARD reagieren könnte, wenn sich eine von Bild angestoßene öffentliche Debatte verselbstständigt und die Legitimation des öffentlich-rechtlichen Systems infrage gestellt werde.
Für den Fall, so ein wichtiger ARD-Angestellter, "wollen wir uns an der Diskussion beteiligen, allerdings fair". Denkbar wäre eine Talkrunde, etwa bei Frank Plasberg, zu der auch Kritiker von ARD und ZDF eingeladen werden sollten. Hart, aber fair? Das wäre sportlich. Sich mit den Inhalten, für die man kritisiert wird, offensiv zu beschäftigen, ist etwas anderes, als wegen erwarteter Beanstandungen zum Gegenschlag auszuholen. Dass man sich bei der ARD im Vorfeld der Bild-Berichterstattung auf Richtigstellungen vorbereitet, ist nun auch kein wirklicher Skandal.
Trotzdem bleibt die Frage nach der seltsamen Informationspolitik der ARD in diesem speziellen Fall. Warum wurde die Intendantendiskussion und die nun kommunizierte Grundhaltung, keine Anti- Bild-Kampagne loszutreten, so lange nicht mitgeteilt, warum nicht früher genauer erklärt? Die ARD ist seit Jahren immer wieder teils heftiger Kritik ausgesetzt. Routine damit hat sich aber wohl keine eingestellt.