ARD-Serie "All You Need":"Cool, Levo, du bist schwul"

Lesezeit: 2 min

Sex gehört zum Leben wie Butter zum Brot, gerade für Millenials wie Vince (Benito Bause, l.) und Robbie (Frédéric Brossier). (Foto: Andrea Hansen/dpa)

"All You Need" ist die erste deutsche Serie mit ausschließlich schwulen Protagonisten - und definitiv kein Degeto-Kuschel-Ding.

Von Claudia Fromme

Die Geschichte ist schnell erzählt: Partybiest und Medizinstudent Vince (Benito Bause) verliebt sich nach spontanem Clubtoilettensex in den stillen Fitnesstrainer Robbie (Frédéric Brossier), während sein schillernder WG-Kumpel Levo (Arash Marandi) zum spät geouteten Tom (Mads Hjulmand) ins Familienheim mit Pool in den Grunewald zieht. Das ist schon die ganze Story. Geht in Ordnung, 25 Minuten pro Episode sind nicht die Welt. Außerdem liegt so der Fokus auf den Charakteren und ihren inneren Konflikten. Die meisten gipfeln in der Frage: Wer bin ich, was macht das mit mir und was mit anderen?

Klingt anstrengend und achtsam und korrekt, ist es aber nicht. Es geht in der Soap erst einmal um das, worum es in jeder Soap geht: Liebe und Freundschaft, Job und Alltag. Was es aber noch nie im deutschen Fernsehen gegeben hat, ist eine Serie ausschließlich mit schwulen Protagonisten. Vielleicht startet auch darum die erste der fünf Folgen von All You Need mit Kawumm. Erster Sex im Berliner Szeneclub nach sechs Minuten, Gespräche, wieder mehr Sex, Gespräche, Sauna, noch mehr Sex. Verstanden, das wird hier kein Degeto-Kuschel-Ding.

Sex gehört zum Leben wie Butter zum Brot, lautet die Botschaft, gerade für Millenials wie Vince und Robbie und Levo und Tom, gilt für die Hetero-Szene genauso, aber um die geht es hier nicht. Vor allem erzählt All You Need vom Lebensgefühl homosexueller Männer, von Vorurteilen, Scham, Stolz und von Anerkennung. Es gibt kluge Dialoge, die man aus anderen Soaps nicht kennt, beiläufig referiert Vince über die heteronormative Gesellschaft und ihren Einfluss auf die Identität. Und es geht um Alltagsrassismus, denn Vince ist schwul und schwarz. Es geht um blöde Fragen, auf die es nur kokette Antworten gibt. Etwa auf jene, wer in einer schwulen Beziehung der Mann ist und wer die Frau. "Fragen Sie sich auch, wer das Messer und die Gabel ist, wenn Sie mit Stäbchen essen?", kontert Tom. Der Vater fragt seinen flamboyanten Sohn Levo: "Warum musst du dich benehmen wie ein Mädchen?" Der fragt angefasst zurück: "Denkst du, es ist ein Kompliment, wenn mir jemand sagt: Cool, Levo, du bist schwul, aber wenigstens sieht man es dir nicht an?" Das ist es, was All You Need auszeichnet, es zeigt, wie vielfältig schwules Leben sein kann.

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Die Ufa hat sich als erste deutsche TV- und Filmproduktion verpflichtet, divers zu arbeiten und ihre Serie All You Need ist weit über Plan - durch den Cast, durch den Stoff, durch Buch und Regie von Benjamin Gutsche, der Teil der schwulen Community ist. Die Miniserie läuft nur in der ARD-Mediathek, die Zielgruppe schaue eben selten das Hauptprogramm, heißt es bei der Degeto, die die Serie in Auftrag gegeben hat. Womöglich hätten manche im Sender auch Schnappatmung bekommen, wenn die Dramedy ohne Kindersicherung regulär gelaufen wäre. Aber wenn es wirklich darum geht, die Gesellschaft abzubilden, dann gehört All You Need ins Schaufenster. Kann passieren, dass dann einer beim Zappen hängen bleibt und zum Nachdenken angeregt wird. Die ARD jedenfalls hat die zweite Staffel bereits bestellt - lange vor dem Start der ersten.

All You Need, ARD-Mediathek , vom 16.Mai an auch auf ARD One

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