Berlin am 1. Mai:Politiker und Journalistenverbände verurteilen Angriff auf TV-Team

Berlin am 1. Mai: Der Comedian Abdelkarim Zemhoute (rechts im Bild) im Gespräch mit der Polizei nach dem Angriff durch Unbekannte.

Der Comedian Abdelkarim Zemhoute (rechts im Bild) im Gespräch mit der Polizei nach dem Angriff durch Unbekannte.

(Foto: Michael Sohn/AP)

Ein Fernseh-Team der "Heute Show" um den Comedian Abdelkarim ist in Berlin angegriffen worden. Der Staatschutz ermittelt. Und die Opfer müssen sich noch gegen Verschwörungstheorien wehren.

Von Lars Langenau

Der 1. Mai in Berlin war wild. Naja, in Corona-Zeiten in weiten Teilen der Hauptstadt nicht so wild wie gewohnt. Laut Meldungen der Berliner Polizei gab es stadtweit acht Straf- und 27 Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten, wobei es sich vor allem um Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz gehandelt haben dürfte. Weiterhin eine Massenschlägerei, eine Messerattacke, ein Farbbeutelangriff auf ein Parteibüro und zwei brennende Autos.

In der Kreuzberger Oranienstraße allerdings trat die Polizei massiv auf und verhinderte den traditionellen linken Demonstrationszug mit schnellen Abriegelungen. Doch nur ein Teil der mehreren tausend Menschen auf den Straßen wollte demonstrieren. Die Mehrheit waren Schaulustige, Neugierige, Gaffer und betrunkene Randalierer.

Die Polizei kam an ihre Grenzen. "Hier konnte der Infektionsschutz wegen der schieren Masse von Menschen nicht in der Form durchgesetzt werden, wie ich es mir gewünscht hätte", sagte Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Samstag. Bilanz des Tages: 18 verletzte Polizisten, mehr als 200 vorläufige Festnahmen oder aufgenommene Personalien. Zu knapp 100 davon kam es allerdings bereits zuvor bei einer Demo von Rechtspopulisten, versprengten Linken und Verschwörungstheoretikern gegen die Corona-Regeln auf dem Rosa-Luxemburg-Platz in Mitte.

Angriff von "einer sehr aggressiven Gruppe"

Am Samstag wurden 25 vorläufig Festgenommene dem Haftrichter vorgeführt. Darunter auch sechs Verdächtige eines Angriffs auf ein Kamerateam der ZDF-Satiresendung "Heute Show", das dem Vernehmen nach aber nicht als solches zu erkennen war. "Das heute show Kamerateam, der Aufnahmeleiter, drei Sicherheitsleute und ich wurden von einer sehr aggressiven Gruppe angegriffen", schrieb der Comedian Abdelkarim Zemhoute auf Facebook. Laut B.Z. ereignete sich der Angriff am Nachmittag in der Rochstraße zwischen Fernsehturm und Hackescher Markt.

Das Fernsehteam hatte bei der Demonstration gegen die Corona-Regeln in Berlin-Mitte gedreht und war offenbar gerade am Zusammenpacken, als es zu dem Vorfall kam. Weder Abdelkarim Zemhoute selbst, noch sein Management und die Presseabteilung der "Heute Show" um Moderator Oliver Welke wollten sich am Samstag auf SZ-Anfrage äußern und verwiesen über Sprecher auf die laufenden Ermittlungen.

Abdelkarim: Der Angriff war nicht inszeniert

Der 38-Jährige aus Bielefeld, der sich nur Abdelkarim nennt, bedankte sich am Samstag auf Twitter für die "große Anteilnahme": "Nach Einschätzung eines Sicherheitsmannes hatten wir Glück im Unglück. Das Ganze hätte auch viel tragischer enden können." Er selbst habe von allen das größte Glück gehabt und sei unverletzt, schrieb er. Vier seiner Kollegen mussten allerdings ins Krankenhaus gebracht werden. Später schickte er noch einen klärenden Tweet hinterher, da es offenbar auch Spekulationen darum gab: "Der Angriff war nicht inszeniert. Ist zwar grad in Mode, aber man muss nicht auf alles mit einer Verschwörungstheorie reagieren."

Alle Festgenommenen sind inzwischen wieder auf freien Fuß gekommen. Es sei kein Haftbefehl erlassen worden, teilte die Generalstaatsanwaltschaft Berlin am Abend mit. Für einen Haftbefehl sind neben dem dringenden Tatverdacht auch Haftgründe Voraussetzung.

Die Polizei geht davon aus, dass die Täter aus politischen Motiven handelten. Der zuständige Staatsschutz der Kriminalpolizei ermittelt. Ob die Verdächtigen zur rechten Szene, dem linken Schwarzen Block oder einem noch anderen politischen Lager gehören, stand bis zum späten Samstagnachmittag nicht fest. Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik sagte im RBB-Inforadio. "Das war ein durchaus wirklich feiger Angriff." Auch Politiker wie CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak und die grüne Fraktionschefin Katrin Göring Eckhardt äußerten ihre Abscheu. Außenminister Heiko Maas (SPD) twitterte: "Wir stehen an Eurer Seite! Lasst Euch Euren Humor und Eure Leidenschaft nicht nehmen von feigen Gewalttätern." Innensenator Geisel betonte: "Egal, ob rechts, links oder sonstwie motiviert, Gewalt gegen Medienvertreter ist durch nichts zu rechtfertigen."

"Gefahr für die freie Berichterstattung"

Während manche AfD-Politiker die Tat dann zum Angriff auf das öffentlich-rechtliche Fernsehen nutzten und es auf AfD-Seiten weite Zustimmung und Häme zu lesen war, sagte ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler: "Die Pressefreiheit ist - gerade in diesen Tagen - ein hohes Gut. Unsere Sorge gilt nun jedoch zuallererst den Teammitgliedern und ihrer Gesundheit." Auch Journalisten-Verbände verurteilten den Angriff. "Das war ein feiger und durch nichts zu rechtfertigender Überfall auf Journalisten, die ihrer Aufgabe der Berichterstattung nachgekommen sind", sagte der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Frank Überall. Er hoffe, dass die Attacke gründlich aufgeklärt werde und die Täter juristisch zur Verantwortung gezogen würden. Dem pflichtete auch die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) bei.

Immer wieder sei in der zurückliegenden Zeit, vor allem von rechts, versucht worden, mit Gewalt und Androhung von Gewalt Berichterstattung zu verhindern, sagte dju-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Berger. "Wir haben es mit einer veritablen Gefahr für die freie Berichterstattung zu tun, wenn Kolleginnen und Kollegen bei ihrer journalistischen Arbeit Angst um sich und ihre Familien haben müssen. Das ist ein Alarmsignal auch für die politisch Verantwortlichen", erklärte Berger.

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