US-Behörden verteilen Gutscheine für Bedürftige:Fettes Brot

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Dank staatlicher Unterstützung können Bedürftige in Kalifornien sogar mal im Restaurant essen gehen. Leider bewerben sich oft nur Schnellrestaurants um die Zulassung - und schaffen damit ein neues Problem.

Cornelius Pollmer

Neulich sagte der Restaurant-Manager Sam Chavez zu einem Reporter der Los Angeles Times einen bemerkenswerten Satz: "Ich glaube, es ist wichtig, dass Menschen essen."

Mit den Essensgutscheinen können Bedürftige, die nicht in der Lage sind, selbst zu kochen, im Restaurant speisen. Das hat auch Nachteile. (Foto: ddp)

Daraus konnte man nicht viel schließen, zwei Dinge aber schon. Erstens: Zukunft ist für alle gut, davon sind sie auch bei Kentucky Fried Chicken in Downey südlich von Los Angeles überzeugt. Zweitens: So richtig glaubt selbst Sam Chavez nicht an das frittierte Allerlei, das er in seinem Laden unters hungrige Volk bringt. Dabei ist die Filiale des Fastfood-Konzerns staatlich anerkannter Teil einer Armenküche, deren Speiseplan im schlechtesten Sinne als typisch amerikanisch zu bezeichnen ist.

2004 führte der Staat Kalifornien ein Ernährungsprogramm ein, seine Befürworter verkauften es als Akt der Nächstenliebe und Lösung im Kampf gegen den Hunger der Armen, Alten und Benachteiligten. Seither dürfen alle, die nicht in der Lage sind, sich selbst ein Essen zuzubereiten, Gutscheine in bestimmten Restaurants einlösen. Alle anderen Bedürftigen sollen Gutschriften beim Kauf gesunder Nahrung einsetzen. Das war der Plan.

Am Anfang gab es Schwierigkeiten, genügend Restaurants zur Teilnahme zu überreden. Viele Geschäftsführer wollten lieber auf ein paar Dollar zusätzliches Geschäft verzichten, als sich auf Staatskosten Arme und Obdachlose in die gute Gaststube zu holen. Heute sind die Essenskarten, einem flüchtigen Blick auf die Zahlen zufolge, ein riesiger Erfolg: 3,7 Millionen Bedürftige nehmen an dem Programm teil, das Los Angeles County hat gerade darauf hinweisen müssen, dass in seinem Hoheitsgebiet nicht mehr als 1200 Restaurants zugelassen werden könnten.

Dem County zufolge hat das Interesse der Gastronomie besonders in den vergangenen beiden Jahren stark zugenommen, in der Zeit der Rezession. "Die Geschäfte laufen doch bei allen schlecht", sagt Sam Chavez, "wir hoffen, so den Umsatz wieder steigern können." Und Kentucky Fried Chicken ist nicht die einzige Kette, die sich für das Programm akkreditiert hat. 94 Prozent der zugelassenen Restaurants in Kalifornien sind Fastfood-Läden, allein im County von Los Angeles sind es 1090.

Keine Chance auf Vernunft

Die fettige Speisung der fast vier Millionen hat sich bis zum US-Landwirtschaftsministerium herumgesprochen. Der zuständige Regionaldirektor hat in einem Brief an das kalifornische Sozialministerium nun darum gebeten, bei der Auswahl der Restaurants achtsamer zu sein: "Der Staat setzt die Standards und er hat das Recht, wählerisch zu sein."

Er hat das Recht, aber hat er auch die Möglichkeit? "Wenn wir die Fastfoodketten verbannen, dann zerstören wir das ganze Programm", sagt Philip L. Browning, Direktor für Soziales beim Los Angeles County. In Gegenden mit vielen Bedürftigen würden sich oft nur Schnellrestaurants um die Zulassung bewerben.

Ein Dilemma, ein recht stabiles zudem, wie gerade in einer Ankündigung des kalifornischen Sozialministeriums zu lesen war. Dort ist die Ratlosigkeit offenbar groß, der neue Plan lautet, deutlicher auf die Möglichkeiten gesunder Ernährung hinzuweisen. Die Beamten machen nun, was sie immer machen, wenn ihnen nichts mehr einfällt: Sie entwickeln eine Broschüre.

© SZ vom 14.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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