SZ-Serie: Kinder, Kinder:Ich und mein Klon

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Suri Cruise trägt 3000-Dollar-Schuhe: Wie prominente Eltern ihren Nachwuchs zu modischen Abziehbildern ihrer selbst heranzüchten.

Claudia Fromme

Es gibt Erkennungszeichen in der Mode, die dienen als eine Art Mitgliedsausweis im erlauchten Zirkel der Eingeweihten. Es sind Muster, besondere Nähte oder Details, die unmissverständlich klarmachen: Ich bin dabei. Rote Sohlen zum Beispiel. Die weisen die Trägerin als Kundin von Christian Louboutin aus, dem Meister schwindelnd hoher Absätze und plakativer Erotik. So war es denn auch nur konsequent, dass eine junge Dame aus Los Angeles vor einer Weile beim Meister maßgefertigte Schuhe für 3000 Dollar in Auftrag geben ließ. Nimmt Louboutin persönlich Maß, sorgt das per se für Geraune in Klatschgazetten, mehr aber noch war es das Alter der Kundin: Suri Cruise war damals vierzehn Monate alt.

Die Tochter des Schauspielerpaares Tom Cruise und Katie Holmes ist heute drei, eine gereifte Modepersönlichkeit also, und führt die Armada von Prominentenkindern an, die bereits im Krabbelalter zu stilistischen Vorbildern erklärt werden - von den Eltern, von den Fans, vom Hollywood Reporter. Machten Suris Eltern monatelang ein unglaubliches Gewese darum, sie überhaupt in der Öffentlichkeit zu zeigen, so verwandeln sie heute selbst den Spielplatz zum Catwalk. Mit zweifelhaftem Erfolg: Suri ist das einzige VIP-Kind, zu dem es einen Modeblog gibt.

Auf www.suricruisefashion.blogspot.com sieht man ihre Lieblingsmarken: Baby GAP, Petite Maloles, Little Marc Jacobs, D&G Junior und Chloé Kids. Derzeit wartet sie vor allem mit langen Röcken auf. "Sie hat einen sehr eigenen Geschmack, sie hasst Hosen", sagt Mutter Katie. Unlängst sah man Suri mit Silberpumps, vier Zentimeter Absatz, keine Loubous. "Sie hat einen Schuhtick", sagt Vater Tom nicht ohne Stolz.

Suri Cruise gibt den Ton an bei den kleinen Mädchen, dicht auf den Fersen sind ihr Shiloh Jolie-Pitt, 3, Violet Affleck, 3, und Valentina Pinault, 2, die Tochter von Salma Hayek und dem französischen Milliardär François-Henri Pinault, die schon mit 14 Monaten aufsehenerregend blauen Lidschatten trug. In Foren wie www.celebrity-moms.com wetteifern Mütter mit Komplimenten, das OK! Magazin kürt regelmäßig "Hollywood's Best-Dressed Little Girls", die Genannten belegen selbstredend die vorderen Plätze. Bei den Jungs ist es Kingston Rossdale, 3, der Sohn von Sängerin Gwen Stefani, der mit blondierter Punkfrisur von sich reden machte.

Mini-Me, das Schrumpf-Ich

Bei den Großen ist Lourdes Ciccone, Tochter von Madonna, derzeit angesagtestes role model. In Madonnas aktuellem Video zu "Celebration" tanzt Lourdes in einem Brautkleid, mit sehr roten Lippen haucht sie Küsse - wie Madonna 1984 im Video zu "Like A Virgin". Lourdes ist zwölf. Sie hat seit Jahren eine Stilberaterin, Deborah Bunn, die das "unglaubliche Trendgespür" ihrer Klientin lobt. Damit sie das auch ausleben kann, soll Lourdes eine Kreditkarte mit einem Limit von 15.000 Dollar zur Verfügung stehen - im Monat.

Kinder werden zu Miniaturausgaben ihrer Eltern, meist der Mütter, und einen Namen hat das Phänomen auch längst: Mini-Me. Schrumpf-Ich. Kate Moss wirbt für Burberry und so trägt auch Tochter Lila Grace, 7, Karo. Angelina Jolie und ihre Tochter Zahara, 4, führen gleiche Valentino-Tasche mit sich, Lourdes Ciccone trägt fast nur Versace - wie die Mama.

Natürlich sei es normal, dass Eltern stolz auf ihren Nachwuchs sind, und ihn gerne vorführen, viele Prominente aber übertrieben komplett, sagt Borwin Bandelow, Professor für Psychiatrie an der Universität Göttingen und Autor von "Celebrities", einem Buch über die Nebenwirkungen des Ruhms. "Narzissmus ist die Antriebsfeder für alle Künstler, ohne ein drängendes Geltungsbedürfnis und auch Selbstüberschätzung wären sie nicht berühmt; keiner wird Schauspieler, weil er zufällig an einer Schauspielschule vorbeigelaufen ist", sagt Bandelow. Über ihre Kinder inszenierten sie den Narzissmus weiter, auch, um im Gespräch zu bleiben.

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Aber haben Dreijährige ein modisches Stilempfinden? "Es ist normal, wenn sich Mädchen die hochhackigen Schuhe der Mutter anziehen oder sich schminken - so lange es ein Spiel bleibt", sagt Bandelow. Und natürlich hätten Kinder Lieblingsteile, bevorzugte Farben, Motive. Ob ein Pullover aber von einem teuren Designer stamme oder nicht, spiele für sie noch keine Rolle. Miss Suri ist es wohl wumpe, ob sie Miss Blumarine trägt oder nicht.

Es geht nicht um das Kind, sondern ums Ego der Eltern

Vielen Müttern ist es das nicht. Trägt Suri GAP oder ein rotes Rüschenkleid von Ralph Lauren, ist das Stück in den USA binnen weniger Tage ausverkauft. Über Madonnas Tochter Lourdes sagt Donatella Versace: "Alles, was sie trägt, verkauft sich blendend." Als Brooklyn Beckham auf dem Flughafen London Heathrow mit Adidas M Attitudes abgelichtet wurde, sorgte das für Hysterie in Sportshops.

Borwin Bandelow sagt: "Wer die Sachen für seine Kinder kauft, denkt, er kriegt ein wenig von dem Ruhm ab, bildet sich ein, Teil einer exklusiven Gemeinschaft zu sein." Es gehe nicht um das Kind, sondern um das eigene Ego. In einer Studie von IconKids&Youth, dem bundesweit größten Marktforschungsinstitut für Jugendliche und Kinder, gaben 72 Prozent aller befragten Mütter zu, gern mit den Sprösslingen anzugeben, mit Schulnoten, aber auch mit der Kleidung.

In Deutschland bricht keine Boutique zusammen, nur weil irgendein Maddox oder Cruz, eine Suri, Zahara oder Peaches einen langen oder kurzen Rock, Babypumps oder Glitzershirts trägt. So starke Effekte gebe es nicht, ist bei La Luna in Köln zu erfahren, einem Ausstatter für gehobene Kindermode. Wohl aber, dass Mütter einen Reiz daran finden, kleine Versionen ihrer selbst auszustatten. Und sich mit entsprechenden Accessoires zu schmücken.

Als der erste Bugaboo-Kinderwagen durch "Sex and the City" rollte, gab es auch bei La Luna kein Halten mehr. Deutsche Promikinder sind kein Faktor, vielleicht auch, weil es hier Superstars amerikanischen Zuschnitts nicht gibt. Mütter halten sich an etablierte Designer, der Nachwuchs eher an das Typenimage der Ochsenknecht-Jungs, den androgynen Auftritt von Tokio Hotel.

Süße Puppen im Kaschmirpulli

Für Designer ist das Geschäft mit den Minimoden lukrativ - und unaufwändig. Sie machen sich die Generation Mini-Me zunutze, produzieren modische Abziehbilder ihrer Mütter. Die meisten präsentieren auf Messen wie der größten Kindermodenschau Pitti Bambino in Florenz Schrumpfversionen ihrer aktuellen Kollektionen. Laura Biagiotti nennt ihre Linie folgerichtig "Dolls". Kaum ein Designer, der sich das Geschäft mit den Anziehpuppen entgehen lässt, das auch bei den Kleinen exklusiv bleiben soll, um so spätere Käufer zu ködern. "Wir wollen den Massenmarkt nicht erreichen", sagte der Designer Marc Jacobs, als er seine erste Kinderkollektion vorführte, mit Kaschmirpullis für 300 Euro. "Wenn sich Kinder in Dior wohl fühlen, werden sie uns treu bleiben", heißt es bei Baby Dior.

Was passiert eigentlich, wenn sich ein Kind auf eine Kaschmir-Kostbarkeit von Little Marc erbricht, den Spitzenrock von Miss Blumarine einnässt oder kopfüber mit einer D&G-Pelzmütze in den Matsch fällt? Das ist so nicht vorgesehen, einige der Designteilchen kann man nicht einmal waschen. "Kinder bekommen so eine völlig falsche Botschaft: Spiel nicht im Matsch, dein Kleid könnte schmutzig werden", analysiert Pamela Paul, die Autorin des amerikanischen Bestsellers "Parenting Inc.", der die Mini-Me-Eltern anprangert.

Nicht die eigene Umgebung zu erkunden sei also wichtig, sondern etwas Schönes zu tragen. Eltern ermutigten ihre Töchter, sich selbst als junge Frau zu sehen. "Wir beobachten eine InStylisierung der Elternschaft", sagt Pamela Paul. Waren die Klatschblätter früher mit den Hochzeiten von Promis beschäftigt, stehen heute die Kinder im Mittelpunkt des Interesses. Die haben ja auch eine längere Verwertungszeit vor sich, auf dem Boulevard der Puppen.

© SZ vom 24.10.2009/aro - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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