Berlin:Alkohol in Berliner Clubs: Zu cool für Jugendschutz?

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Berlin (dpa/bb) - Immer wieder werden Spätkauf-Betreiber dabei erwischt, wie sie minderjährigen Testkäufern vom Ordnungsamt Hochprozentiges verkaufen. Und immer wieder wird mehr Verantwortung von den Verkäufern gefordert. Doch wie steht es um die Diskotheken? Nach Ansicht der Suchtexpertin Kerstin Jüngling sind die Berliner Clubs nicht unschuldig. Die Club-Betreiber nähmen ihre Aufgaben beim Jugendschutz nicht immer ausreichend wahr, prangert die Geschäftsführerin der Fachstelle für Suchtprävention im Land Berlin an. Das liege auch am Ruf der Party-Stadt.

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Berlin (dpa/bb) - Immer wieder werden Spätkauf-Betreiber dabei erwischt, wie sie minderjährigen Testkäufern vom Ordnungsamt Hochprozentiges verkaufen. Und immer wieder wird mehr Verantwortung von den Verkäufern gefordert. Doch wie steht es um die Diskotheken? Nach Ansicht der Suchtexpertin Kerstin Jüngling sind die Berliner Clubs nicht unschuldig. Die Club-Betreiber nähmen ihre Aufgaben beim Jugendschutz nicht immer ausreichend wahr, prangert die Geschäftsführerin der Fachstelle für Suchtprävention im Land Berlin an. Das liege auch am Ruf der Party-Stadt.

Alkohol sei und bleibe die Nummer eins der Suchtmittel unter Jugendlichen, sagt Jüngling - auch im Club. Vor wenigen Wochen griff die Berliner Polizei eine volltrunkene 16-Jährige in einem Vorraum neben einer Diskothek in der City West auf. Die aggressive Jugendliche wurde mit 2,6 Promille Blutalkoholgehalt ins Krankenhaus gebracht. Die Polizei hat Hinweise, dass die Betrunkene zuvor im Club war, eindeutig lasse sich das jedoch nicht feststellen. Der Zutritt am Vorabend, einem Wochentag, war ab 16 Jahren erlaubt.

Nach dem Vorfall erklärte Gereon Haumann, Präsident des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Rheinland-Pfalz, Verstöße beim Alkoholausschank in Diskotheken lägen oft daran, dass die Betreiber zu wenig über Jugendschutz wüssten. Bei der Vergabe der Lizenzen müsse strenger geprüft werden. Auch der Berliner Dehoga-Geschäftsführer Thomas Lengfelder setzt sich für strenge Kontrollen ein. „Man muss die Diskotheken-Betreiber zum Jugendschutz zwingen“, sagt er. Im Vergleich zu Rheinland-Pfalz sei der Nachholbedarf in Berlin aber nicht so groß.

Auch die Club-Betreiber sehen die Probleme woanders. Wegen der hohen Preise sei der Alkoholmissbrauch in Clubs „verglichen zum Verkauf in Spätis oder Supermärkten unerheblich“, meint Lutz Leichsenring, der Sprecher der Clubcommission, einem Zusammenschluss von Berliner Partyveranstaltern. Eine aktuelle Studie aus der Schweiz widerspricht dem jedoch.

Die in Lausanne ansässige Präventionsstelle „Sucht Schweiz“ ließ Versuchspersonen im Durchschnittsalter von 23 Jahren ihr Trinkverhalten an insgesamt 1400 Abenden dokumentieren. Die These, Feiernde würden durch das sogenannte Vorglühen Geld sparen und im Club weniger trinken, hält dem Ergebnis nicht stand. Im Gegenteil: Studienteilnehmer, die vor dem Ausgehen mehr Alkohol getrunken hatten, gaben umso mehr Geld an der Bar im Club aus. Der Konsum wird also nicht vorweg genommen, sondern durch das frühe Trinken fast verdoppelt, wie „Sucht Schweiz“ feststellt.

Minderjährige hierbei von hartem Alkohol fernzuhalten, ist Aufgabe der Ordnungsämter in den verschiedenen Berliner Bezirken. Der Einsatz von Testkäufern wie in Spätis und Supermärkten sei in Diskotheken jedoch nicht vorgesehen, wie mehrere Berliner Ordnungsämter auf Anfrage bestätigten. Hier muss die Ausweiskontrolle ausreichen - die üblicherweise aber nur an der Tür, nicht an der Bar erfolgt.

Um einen Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz zu ahnden, müsse das Vergehen auf frischer Tat festgestellt werden, erklärt Norbert Kirchner vom Ordnungsamt Lichtenberg - ein großes Problem für die Kontrolleure. Auch werden die Verstöße pauschal erfasst, so dass Meldungen über fehlende Jugendschutzaushänge, zu denen Gaststätten verpflichtet sind, in derselben Datei landen wie Teenager im Vollrausch. Weder in Charlottenburg noch in Reinickendorf habe es in diesem Jahr Verstöße gegeben, in Lichtenberg nur einen.

Kerstin Jüngling von der Fachstelle für Suchtprävention sieht in einer strengeren Überprüfung der Clubs keine ausreichende Lösung. Viel eher müssten die Mitarbeiter an der Bar besser ausgebildet und Diskotheken-Betreiber zu mehr Aufklärung bereit sein. „Wir brauchen einen Kulturwandel“, betont Jüngling.

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