Ladies & Gentlemen:Licht und Schatten bei den Grammys

Lesezeit: 2 Min.

(Foto: Imago/Axelle Woussen)

Cardi B begeistert als blaue Skulptur, Chris Martin möchte aus dem Kinderparadies abgeholt werden. Auf dem roten Teppich bei der diesjährigen Grammy-Verleihung gab es wieder die ganze Bandbreite des Glamours zu besichtigen.

Von Max Scharnigg und Julia Werner

Ziemlich blaues Wunder: Cardi B

Alle reden immer von Queen Beyoncé, wenn Grammy-Verleihung ist, und ja, sie hat in diesem Jahr den zahlenmäßigen Grammy-Rekord aufgestellt - aber gut angezogen war sie wirklich noch kein einziges Mal in ihrem Leben. Man ist als weiser werdender Modemensch nicht nur deshalb immer mal wieder versucht, dem Gedanken nachzugeben, dass Stil und Modetrends heute gar nicht mehr so wichtig sind.

Wozu der Hype, wenn große Luxus-Monopolisten dazu beitragen, dass man die Berge von Hosen und Shirts und Kleidern auf dem Laufsteg gar nicht mehr sortieren kann, weder in Saisons noch in Modehäuser? Selbst Haute Couture, also die superteure Maßschneiderei, ist irgendwie langweilig geworden, weil sie jetzt oft genauso so tragbar ist wie die Luxustextilien von der Stange. Bei den letzten Haute-Couture-Schauen regte man sich dann wahnsinnig über ein Label namens Schiaparelli auf, weil der Designer dort Löwen- und Pumaköpfe in Kleider und Mäntel integriert hatte. Nein, der Schocker waren nicht die Köpfe, die waren ja Fake, sondern einfach nur der Fakt, dass das so brachial und alles andere als elegant oder interessant aussah. Die Verantwortlichen der Haute Couture in Paris sind aber zum Glück noch nicht ganz blöd und haben bei den letzten Schauen auch den indischen Designer Gaurav Gupta eingeladen. Und dann kommt Cardi B in einem Kleid von ihm auf die Grammys und ist eine so fantastische Skulptur, dass man sich fragt, wie man sich jemals vom Modetheater entlieben konnte. Und warum alle immer die ganze Zeit über Beyoncé reden.

(Foto: Frazer Harrison)

Willst einen Lutscher, Chris Martin?

Dieser Auftritt ist schon allein deshalb lustig, weil Chris Martin ja genauso aussieht, wie sich ein Comedian als Chris Martin verkleiden würde. Oder wie ihn sich all jene Menschen vorstellen, die Coldplay irgendwie peinlich finden. Auf jeden Fall aber hat man das Gefühl, dass der Britpop-Operettenstar in diesem seltsamen Outfit ganz bei sich selbst angekommen ist. Schon auch interessant: Während sich alle anderen bei der Grammy-Verleihung kompliziert in Schale werfen, um ihre Kreativität zu unterstreichen, ist Martin mit einer zotteligen Beanie-Mütze, einem Pullover, der aussieht wie das Cover einer Kinderbibel, und einer quietschblauen Plastikuhr tatsächlich nahezu das schrägste Outfit gelungen. Anti-Extravaganz als Schock! Keine Frage, der 45-Jährige hat sich gut gehalten und das Kidscore-Outfit zieht von seinem jugendlichen Antlitz noch mal zehn Jahre ab. Aber will man, dass sich ein gestandener Mann und Vater von fast erwachsenen Kindern anzieht, wie jeder leicht verzogene Lovis oder Finn in einem urbanen Luxuskindergarten? Und die vielleicht noch unangenehmere Frage: In welcher Verfassung muss man sein, um selbst zu glauben, dass man als Laudator bei der Grammy-Verleihung so auftreten sollte? Denn es ist ja eben nicht das, was einer anzieht, der keinen Bock auf Schaulaufen hat. Nein, die Botschaft hier ist: Ich bin so deep und emo und süß, nicht wahr? Und das ist eben leider auch die Botschaft in vielen Coldplay-Songs. Im Grunde das gleiche Problem wie bei Til Schweiger - Männer, die mal gewinnbringend ihre weiche Seite entdeckt haben und sie seitdem wie eine Jagdtrophäe vor sich hertragen.

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