Berlin:„Nacht der Solidarität“: Berliner Obdachlose werden gezählt

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Berlin (dpa/bb) - Berlin zählt seine Obdachlosen. In einer "Nacht der Solidarität" vom 29. zum 30. Januar sollen dazu rund 450 Teams für einige Stunden auf den Straßen unterwegs sein, wie Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) am Dienstag mitteilte. Die Gruppen bestehen aus mindestens zwei Leuten, die die obdachlosen Menschen auch zu ihrer Situation und Herkunft befragen sollen.

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Berlin (dpa/bb) - Berlin zählt seine Obdachlosen. In einer „Nacht der Solidarität“ vom 29. zum 30. Januar sollen dazu rund 450 Teams für einige Stunden auf den Straßen unterwegs sein, wie Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) am Dienstag mitteilte. Die Gruppen bestehen aus mindestens zwei Leuten, die die obdachlosen Menschen auch zu ihrer Situation und Herkunft befragen sollen.

Bei dem Projekt helfen Studenten der Katholischen Hochschule für Sozialwesen und der Alice Salomon Hochschule mit. Sie sprechen unterschiedliche Sprachen. Auch die Fragebogen für Obdachlosen sind mehrsprachig.

Bisher weiß niemand, wie viele Obdachlose es in Berlin überhaupt gibt. Fachleute gehen davon aus, dass es mehrere Tausend sind und ihre Zahl zuletzt stetig stieg.

„Wir haben keine Daten über Menschen auf der Straße“, sagte Breitenbach dazu. Die „Nacht der Solidarität“ sei auch als Signal zu verstehen: „Ja, es gibt Obdachlose, die auf Hilfe und Unterstützung der Gesellschaft angewiesen sind. Wir wollen deutlich machen, dass sie willkommen sind und Teil dieser Stadt sind.“

Viele Obdachlose in der Hauptstadt kommen aus anderen Staaten, zumeist aus Osteuropa. Auf Basis der Ergebnisse der Zählung könnten Hilfen für die Menschen womöglich gezielter angeboten werden.

Die Erhebung ist Teil eines am Dienstag beschlossenen neuen Senatsprogramms. In den „Leitlinien zur Wohnungslosenpolitik“ sind diverse Vorhaben aufgelistet, um Hilfsangebote für Wohnungs- und Obdachlose zu verbessern und stadtweit besser zu koordinieren.

Geplant ist etwa, die Zahl der ganzjährig verfügbaren Notübernachtungsplätze für obdachlose Menschen von derzeit 230 auf 600 zu erhöhen. „Das Land wäre bereit, Kosten und Organisation zu übernehmen“, sagte Breitenbach. Derzeit sei ihr Haus dazu im Gespräch mit den Bezirken.

Schon jetzt seien 1162 Notübernachtungsplätze für die Kältehilfe im Winterhalbjahr gesichert, so die Senatorin. Zudem sei geplant, wieder einige U-Bahnhöfe nachts für Obdachlose zu öffnen. Allerdings seien dies nicht wie im vergangenen Winter die Bahnhöfe Moritzplatz und Lichtenberg. Die Räumlichkeiten dort hätten sich nicht bewährt.

Angedacht sind außerdem sogenannte Safe Places für Obdachlose, also Plätze, an denen sie ganzjährig ungestört übergangsweise leben können und die auch über Küche, Dusche und Toilette verfügen. Breitenbach schweben dazu „kleine überschaubare Plätze“ mit kleinen sogenannten Tiny Houses aus Holz vor. Die Areale sollen von Sozialarbeitern betreut und womöglich auch durch Security-Firmen gesichert werden.

„Einige Bezirke suchen solche Plätze“, sagte Breitenbach. Das reiche aber noch nicht aus. „Ich will an dieser Stelle die Solidarität aller Bezirke, und ich brauche sie auch“, betonte die Senatorin.

Geplant ist zudem, die Unterbringung von wohnungslosen Menschen in der Stadt neu zu organisieren - also solchen, die nicht auf der Straße leben, aber aus unterschiedlichen Gründen keine eigene Wohnung mehr haben. Sie leben in Übergangsheimen, Hostels oder in Wohnungen des sogenannten geschützten Segments, von denen es um die 1000 gibt.

All die unterschiedlichen Unterkünfte sollen Breitenbach zufolge nach und nach systematisch erfasst werden. Dann sollen mit ihnen Qualitätsstandards vertraglich vereinbart werden. Die Standorte kommen in ein System, mit dessen Hilfe die Bezirke bei Bedarf stadtweit nach geeigneten Unterkünften suchen können, zum Beispiel nach behindertengerechten Plätzen.

„Es geht um eine bedarfsorientierte Unterbringung der Menschen“, betonte Breitenbach. Erreicht werden solle das über eine bessere gesamtstädtische Steuerung. Momentan gebe es „Wildwuchs“ bei den Unterkünften, die das Land teils gar nicht kenne. Oftmals gebe es dort auch keine Qualitätsstandards.

Sozialverbände schätzen die Zahl der Menschen in Berlin ohne eigene Wohnung, die bei Verwandten, Freunden, in Übergangsunterkünften oder Wohnheimen leben, auf etwa 50 000. Nach Angaben Breitenbachs haben die Bezirke 19 728 Haushalte mit rund 36 000 Menschen untergebracht.

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