Sexismus ist ein Problem - und wer das leugnet, ist Teil des Problems. Es ist schon erschreckend, dass eine Debatte wie sie derzeit stattfindet, in unserer Gesellschaft überhaupt noch geführt werden muss. Doch neben den angemessen kritischen, nachdenklichen und konstruktiven Beiträgen sind tatsächlich etliche Stimmen zu hören, die belegen, dass manche Männer und auch Frauen offenbar unter einem gravierenden Mangel an Verständnis für dieses Problem leiden.
In vielen Kommentaren etwa heißt es, Frauen würden plumpe Anmache doch selbst provozieren. Es wird vom Thema abgelenkt mit dem Hinweis, auch Männer wären manchmal Opfer körperlicher Gewalt durch Frauen. Oder es wird relativiert: Das Verhalten, das Rainer Brüderle angeblich einer Journalistin gegenüber an den Tag legte, wäre von der Betroffenen vielleicht als "heißer Flirt" wahrgenommen worden, wenn sie nicht der FDP-Politiker angebaggert hätte, sondern Filmstar George Clooney.
Das etwa vermutet die Journalistin Birgit Kelle, Vertreterin eines "neuen Feminismus", im "Debatten-Magazin" The European. In ihrem Beitrag erklärt sie, dass Frauen sich nicht darüber wundern müssten, wie mit ihnen umgegangen werde - weil eben Männer und Frauen so seien, wie sie seien. Der Ausweg? Frauen sollten ihre Blusen zuknöpfen.
Selbst wenn sich viele Frauen, wie Kelle unterstellt, gern von George Clooney anmachen ließen: Sollte der Schauspieler einer Frau anzügliche Komplimente zu ihrer Oberweite machen, so wäre das immer noch kein Flirt - auch kein heißer. Es wäre immer noch eine plumpe Anmache, die widerspiegeln würde, in welcher Position er sich verortet (mächtig, begehrenswert, unwiderstehlich) und wie er sie sieht (angemacht von Schönheit, Erfolg, Macht, Geld).
Die Botschaft ist eindeutig. Und eigentlich sollte sie nicht notwendig sein.
(Foto: Cathreina Hess)Muss man es wirklich noch erklären? Im Gegensatz zur herabwürdigenden Anmache ist ein Flirt gemeinhin durch anfänglich eher vorsichtige Versuche gekennzeichnet, den Charakter eines Gespräches dorthin zu lenken, von wo aus mehr möglich ist. Ob das klappt oder nicht, lässt sich über subtilere Signale vermitteln und wahrnehmen als über Bemerkungen zur Oberweite.