Selbstversuche:Ich und ich und ich

Genug genörgelt, jetzt wird verbessert: Acht Volontäre, acht Selbstversuche, zwei Wochen Zeit.

Von SZ-Volontären

Jacqueline Lang, 27, Ziel: 30 Minuten Yoga täglich

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(Foto: Stefanie Preuin)

Um meinen inneren Schweinhund zu überlisten, versuche ich es mit einem Youtube-Tutorial: "30 Days of Mindful Movement". An Tag sieben begrüßt mich Alissa auf der Matte. "Fühle die Verbindung zwischen deinem Körper und deiner Atmung", sagt sie und schnauft ins Mikro. Ich atme mit und probiere wie Alissa das rechte Bein zu beugen, während ich den Knöchel des linken Beins auf dem rechten Knie platziere, die rechte Hand den Boden berührt und die linke Hand gen Decke zeigt. Ich vergesse zu atmen, kippe aber nicht um. Ich werte das als Teilerfolg und gönne mir eine Pause. Meine Online-Trainer beglückwünschen mich drei Tage später trotzdem dazu, dass ich es täglich auf die Matte schaffe - wie viele Tage im echten Leben dazwischen liegen, wissen sie zum Glück nicht. Bilanz: Innerhalb von 14 Tagen darf ich mich acht Mal auf der Matte begrüßen.

Julian Erbersdobler, 25, Ziel: Handyverzicht

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(Foto: Stefanie Preuin)

Es vibriert, klingelt, summt, strahlt und leuchtet. Mein Handy schläft nie. Das will ich ändern. Das Konzept der App: Ich nutze mein Handy, damit ich mein Handy weniger nutze. Es geht darum, virtuelle Bäume zu pflanzen, die kleinsten wachsen in wenigen Minuten, die größten in zwei Stunden. In dieser Zeit darf ich nicht auf mein Handy schauen. Beim ersten Versuch nehme ich mir 45 Minuten vor. Nach 37 Minuten klingelt es. Ich gehe ran und der Baum stirbt. Ich fühle mich mies, weil ich gescheitert bin und das Leben einer Pflanze zerstört habe, die es nicht gibt. Neuer Anlauf, diesmal zehn Minuten. "Was du jetzt pflanzt, wirst du später ernten", motiviert mich die App. Nach fünf Minuten klingelt mein Handy schon wieder. Der nächste tote Baum. Die zuverlässigste Form des Fastens bleibt, sein Telefon im Klo zu versenken.

Theresa Parstorfer, 26, Ziel: achtsam sein

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(Foto: Stefanie Preuin)

Mantraartig betet eine Stimme in meinem Kopf eine endlose To-Do-Liste herunter. Sogar beim Einschlafen. An guten Tagen bezeichne ich mich als organisiert, an schlechten als gestresst. Zeit, mir keine Gedanken zu machen, habe ich nicht. Das will ich ändern, denn die gestressten Tage nehmen überhand. Von meiner neuen Achtsamkeitsapp lerne ich: Gedankenfreie Zeit muss man sich nehmen. Wenn möglich mehrmals täglich. "Die Gedanken beobachten", so nennt das die tiefenentspannt klingende Männerstimme der App und bietet als Hintergrund Meeresrauschen, Regen, Vogelgezwitscher oder ein Bächlein an. Meistens beobachte ich meine To-Do-Liste. Nach vier Tagen schaffe ich es, mir dabei wenigstens einen Strand vorzustellen. Ich, die Zehen im Sand, während die Liste auf den Wellen schaukelt, bis sie sich langsam auflöst.

Thomas Jordan, 31, Ziel: drei Kilo abnehmen

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(Foto: Stefanie Preuin)

Die Idee: Drei Kilo abnehmen in zwei Wochen indem ich esse, bewusst esse. Die App, die mir dabei helfen soll, zählt jede einzelne Kalorie. Mit der Handykamera scanne ich den Barcode eines Lebensmittels, koche ich selbst, gebe ich die Gerichte per Hand ein. Die App erkennt jedes noch so ausgefallene Biomüsli, und weiß auch, wie viele Kalorien ein Schweinebraten hat. Man entscheidet sich für einen der fünf Diätpläne und am Ende des Tages gibt es ein Smiley, wenn die maximale Kalorienzahl unterschritten wurde. Soweit die Theorie. Die Praxis? Es ist gewöhnungsbedürftig, jede Mahlzeit in der App zu suchen. Außerdem ist die Methode nichts, um schnell abzunehmen. Aber interessant ist es schon, was man jeden Tag so alles in sich hineinstopft. Nach zwei Wochen sind eineinhalb Kilo weg und ich habe gelernt: Statt eines Schokoriegels öfter mal drei Äpfel essen.

Jasmin Siebert, 31, Ziel: fünf Klimmzüge

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(Foto: Stefanie Preuin)

In der neuen WG klemmt in einer Tür eine Klimmzugstange, an der sich die Mitbewohner oft hochziehen. Ich schäme mich, weil ich auf halber Höhe wieder runter plumpse. Also fange ich an, zu üben. Bald kann ich mein Kinn über den Türstock hieven. Mein Mitbewohner stellt mir einen Trainingsplan auf: Zu dem Tageszeitpunkt, an dem ich mich am fittesten fühle, soll ich dreimal zehn Klimmzüge machen. Oder so viele, wie ich eben schaffe - also zweieinhalb krummschiefe Verrenkungen. Mein Privattrainer findet, ich müsse an meiner Technik arbeiten und stellt mir eine Kiste unter. Mit Unterstützung der Beine auf dem Weg nach oben schaffe ich nach vier Wochen fünf einigermaßen saubere Klimmzüge. Ohne Kiste bleibt es bei drei. Die wichtigere Erkenntnis: Den sportlichen, aber echt freakigen Mitbewohnern ist das egal, sie akzeptieren mich trotzdem.

Anna Reuß, 25, Ziel: aufhören zu rauchen

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(Foto: Stefanie Preuin)

Ich rauche hin und wieder. Der Markt für Apps zum Entwöhnen ist riesig. Die meisten zählen mit, wie viele Schachteln man nicht geraucht und wie viel Geld man damit eingespart hat. Eine App übertrumpft ihre Konkurrenten mit dem Versprechen, in den dunklen Stunden Motivationskarten aufploppen zu lassen, wenn man nur das Handy kräftig schüttelt. Als ich zum ersten Mal das Verlangen nach einer Zigarette spüre, sind immerhin 15 Tage vergangen. Vielleicht hätte ich die letzten Reste vernichten sollen, statt sie im Küchenschrank aufzuheben. Ich hoffe auf einen motivierenden Satz, der mich das vergessen lässt. "Trage Bilder von Menschen bei dir, die du liebst. Falls du Lust zu rauchen hast, schau sie dir an und denk an die Liebe, die du für diese Menschen empfindest." Emotionaler Druck hilft nicht, stelle ich fest, und zünde mir eine an.

Ekaterina Kel, 29, Ziel: mehr lesen

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(Foto: Stefanie Preuin)

Im Urlaub schmökern - mir ist das nicht genug. Ich will mehr lesen. So viel, dass meine Bücher mich nicht mehr vorwurfsvoll aus dem Regal anschauen. Ein Blog rät: "Lesen muss so natürlich ablaufen, wie Essen und Atmen, es muss ein Reflex werden. Eine Verlängerung von dem, wer du bist." Ich schreibe mir Regeln auf: Wähle Bücher, auf die du Lust hast. Lies täglich mindestens zwei Stunden. Habe dein Buch stets dabei. Notiere deine Erfolge. Suche dir einen bequemen Leseort. Am ersten Tag schaffe ich auf Anhieb 160 Seiten: die "Unterwerfung" von Houellebecq. Dann kommt das Wochenende. Ich verabschiede mich von Freunden - sorry, muss noch lesen. 14 Tage, drei Bücher und ein Essay später - Gesamtbilanz 776 Seiten - habe ich gelernt, dass ich sieben Seiten schaffe, bis die Nudeln al dente sind.

Max Ferstl, 26, Ziel: regelmäßig zuhause anrufen

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(Foto: Stefanie Preuin)

Als ich zum ersten Mal anrufe, begrüßt mich meine Mutter misstrauisch. "Was brauchst du?", fragt sie knapp. Zugegeben: Sie hat Grund, skeptisch zu sein. Seit ich ausgezogen bin, beschränkt sich unser Kontakt auf den monatlichen Besuch, an dessen Ende ich mit der Bitte verabschiedet werde, mich doch gelegentlich zu melden. Mache ich auch, aber nur mit panischer Stimme, wenn die Spülmaschine schäumt. Wenn ich anrufe, brauche ich irgendwas - diesen Ruf will ich korrigieren. Deshalb rufe ich jetzt, ganz ohne Hintergedanken, jeden zweiten Tag zuhause an. Eingeweiht habe ich niemanden. Es sind eher kurze, nicht sehr tiefgründige Gespräche (Hallo, wie geht's? Was gibt's Neues?). Aber darum geht es gar nicht. Wer anruft, interessiert sich. "Schön, dass du dich gemeldet hast", sagt meine Mutter immer, bevor sie auflegt. Die Skepsis ist verschwunden.

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