Gerade Jungen haben es in der Pubertät nicht leicht: Sie müssen sich ihren Platz in der Clique erkämpfen, erste sexuelle Erfahrungen und gewaltige körperliche und psychische Veränderungen verarbeiten.
(Foto: EPD)DJI Impulse: Herr Scheithauer, was sind die größten Risiken für Jugendliche?
Herbert Scheithauer: Es ist ein Mythos, dass im Jugendalter alles durcheinander gerät und es darum grundsätzlich eine Lebensphase ist, die mit vermehrten Risiken einhergeht. Sie ist sicher eine Phase des Umbruchs. Aber sie muss nicht mit so vielen Änderungen einhergehen, dass die Jugendlichen automatisch mit Entwicklungsgefährdungen konfrontiert werden.
Wie sieht eine "normale" Entwicklung aus?
Dazu gehören eine gesunde Selbst- und Fremdeinschätzung, die erfolgreiche Bewältigung von Entwicklungsaufgaben und die Abwesenheit von Psychopathologie, also psychischen Störungen, und Risikoverhalten. Jugendliche sollen eine Identität entwickeln, sich loslösen vom Elternhaus und gleichzeitig eine berufliche Perspektive aufbauen.
Welche Mädchen und Jungen suchen in dieser Phase verstärkt das Risiko?
Eltern sind sehr wichtig. Jugendliche nehmen vieles aus ihrer Familie mit und suchen daran später Orientierung. Wenn sie in einer Familie groß werden, die von Wärme und Verständnis geprägt ist, erinnern sie sich positiv daran. Das kann in späteren Lebensphasen handlungsbestimmend sein. Eltern müssen sehr sorgsam auf die Bedürfnisse ihrer Kinder achten, auch wenn die Kinder sich verändern. Kinder haben das Recht, eigene Wege zu gehen. Eltern sollten nicht ihre Erwartungen an die Jugendlichen herantragen und davon ausgehen, dass diese das auch wollen. Ein klassisches Beispiel ist etwa der Rechtsanwalt, der erwartet, dass sein Sohn ebenfalls Rechtsanwalt wird.
Die Jugendzeit ist auch eine Phase des Ausprobierens, in der Jugendliche viele Fehler machen. Da müssen Eltern sehr verständnisvoll sein und ihrem Kind signalisieren, dass es bei ihnen einen sicheren Halt hat. Konflikte zwischen Eltern und Jugendlichen entstehen oft nicht deshalb, weil die Jugendlichen sich verändern und neue Ansprüche haben, sondern weil die Eltern nicht gut mit der Veränderung der Jugendlichen umgehen können. Gerade in der Pubertät passiert etwas, das die Kinder als eine Ambivalenz erleben: Sie wollen sich loslösen von ihren Eltern, aber in gewissen Situationen kommen sie doch gern wieder zu ihnen zurück.